Literaturhaus Magdeburg "Herzlich Brigitte"
Magdeburg l Vorsichtig öffnet Gisela Zander vom Literaturhaus eine schwarz-blaue Mappe. Sie gehört zum Nachlass von Heinz Kruschel (1929-2011), den die Familie dem Literaturhaus im Oktober 2011 übergeben hatte. Kruschel war mit vielen Schriftstellern und bildenden Künstlern befreundet, manche Aufzeichnungen von Gesprächen sowie literarische Porträts wurden von ihm veröffentlicht, einiges blieb nur Material in der Werkstatt des Schriftstellers. All das findet sich wohlgeordnet zwischen Mappendeckeln. So auch die Briefe von Brigitte Reimann. Heinz Kruschel stand mit der in Burg lebenden Autorin von 1956 bis zu ihrem frühen Tod am 20. Februar 1973 im steten Briefwechsel.
"Er war ein unglaublich ordentlicher Archivar", sagt Zander, die den Nachlass aufarbeitet und von einer "hochinteressanten Fundgrube" spricht. Der Schriftsteller sammelte nicht nur die Briefe und Karten von Reimann, er lichtete sie auch ab und ließ sie auf der Schreibmaschine abschreiben. Vielleicht waren sie zur Veröffentlichung gedacht, mutmaßt Gisela Zander. Denn einige dieser Briefe wurden bereits 1983 von Elisabeth Elten-Krause und Walter Lewerenz herausgegeben. Im Buch "Brigitte Reimann in ihren Briefen und Tagebüchern" ist jedoch keine Quellenangabe zu finden. Das auf den Briefen vermerkte Datum jedoch führt auf die Spur der Originale, die im Literaturhaus bewahrt werden.
Die erste handschriftliche Karte von Reimann ist datiert mit 9. April 1956. Es ist ein Gruß mit Hinweis auf eine Tagung des Schriftstellerverbandes Magdeburg. Später wird es persönlicher, beide schätzen sich sehr. Die Zeilen enden mit "Herzlich Brigitte" oder "Deine Brigitte". Reimann schrieb Kruschel über die Familie und Partner, über Gesundheit und ihr Befinden, immer wieder finden sich auch Berichte über die Arbeit an ihren Büchern und die Resonanz auf Veröffentlichungen. Gisela Zander: "Behinderungen im Schreibprozess durch ängstliche Verleger und die allgegenwärtige direkte und indirekte Zensur der literarischen Texte werden ebenso thematisiert wie die Unterbrechung des Schaffensprozesses durch immer neue Krankheitsschübe." Einiges ist in den zu DDR-Zeiten veröffentlichten Briefen nur auszugsweise zu lesen. Brisante Zeilen wie zur Staatssicherheitsspitzelei wurden gestrichen.
Am 29. Dezember 1972 schriebt sie ihren letzten Brief an Heinz Kruschel. "Zwei Monate habe ich mich mit Sterben beschäftigt (gottlob, man merkt nichts davon, treibt bloß hin wie unter Wasser) ... diesmal habe ich in der Klinik nur ein jämmerliches Kapitelchen geschafft. Trotzdem soll \'Franziska` nun fertig werden ..."
Doch ihr Roman "Franziska Linkerhand" blieb unvollendet. Er erschien posthum und wurde zum großen Erfolg.