Der Opernchor des Anhaltischen Theaters begeht sein 175-jähriges Bestehen mit Festkonzert Herzoglicher Hofkapellmeister forderte "Theaterchor als ständige Einrichtung"
"Es gibt nur eine Hand voll Opern und Operetten, in denen kein Chor vorkommt", erklärt Helmut Sonne, der seit 2005 als Chordirektor des Anhaltischen Theaters Dessau tätig ist. Der Chor werde gebraucht als "Sprachrohr der Gesellschaft, des Volkes".
Dessau-Roßlau l Der Dessauer Opernchor begeht in diesem Jahr sein 175-jähriges Bestehen. Seine Historie ist untrennbar verbunden mit der Geschichte des Theaters.
Aus der Frühzeit des Theaters (1794), so der Musikdramaturg Ronald Müller, gibt es allerdings keine Hinweise auf einen eigenständigen Chor. Ab 1798 bestand in Dessau ein "Singechor", der sich aus Lehrerseminaristen und Chorschülern zusammensetzte. Er kam bei Gottesdiensten, städtischen Umzügen und ebenfalls bei Dessauer Opernaufführungen zum Einsatz, unter anderem bei Mozarts "Zauberflöte" und Webers "Freischütz".
Durch die öffentliche "Aufforderung in Betreff der Gründung eines Theaterchores" im Dezember 1837 durch den Herzoglichen Hofkapellmeister Dr. Friedrich Schneider wurde unmittelbar danach ein Opernchor als "ständige Einrichtung" am Dessauer Theater gebildet.
Ein Blick in die Geschichte des Chores zeigt, dass die Gesamtzahl der Sängerinnen und Sänger fast durchgängig zwischen 36 und 44 Mitgliedern pendelte. Gegenwärtig hat der Opernchor eine Sollstärke von 38 Mitgliedern. Vakant, so Helmut Sonne, sei derzeit je eine Sopran- und eine Tenorstimme.
Die in allen Chören mal mehr oder weniger stark auftretenden Besetzungssorgen, insbesondere in den männlichen Stimmen und dabei im Tenorfach, führt Helmut Sonne auch auf die Gestaltung der Ausbildung zurück. Seines Wissens nach gibt es in Deutschland nur zwei Hochschulen, die ausgewiesenen Chorgesang lehren.
Wenn sich nun erhoffte und von Professoren oft auch noch geförderte Solo-Karieren nicht erfüllen, fühlt sich die Arbeit in einem Chor wie das Abschieben auf ein Abstellgleis an.
Aber, so Helmut Sonne, es gibt auch manche Unterschiede zwischen damals und heute. Früher besetzten die Theaterdirektoren bei Mitgliedermangel gelegentlich Choristen durch erste Solisten. Heute ist die Praxis, Chormitglieder mit solistischen Aufgaben zu besetzen, "ein Kompliment an unseren Chor, Zeugnis für die hohe Qualität", freut sich der Chordirektor. Dadurch kann das Anhaltische Theater Dessau auch alle Opern-, Operetten- und Musical-Inszenierungen sowie chorsinfonische Konzerte fast ausnahmslos mit eigenen Ensemblemitgliedern bestreiten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Aufführungen von Wagner- und Verdi-Opern sowie die großen russischen Choropern stets besondere Höhepunkte der Dessauer Chorarbeit.
"Und, ohne eitel wirken zu wollen", so Helmut Sonne, "wir sind schon stolz darauf, wenn uns das Publikum signalisiert, dass die Stücke besonders lebendig sind, wenn unser Chor zur Aktion kommt." Der Chor freue sich immer, wenn Regisseure die Mitglieder gesanglich und vor allem mit Spiel bei der Szenengestaltung aktiv fordern. Zeugnis der hohen Anerkennung der Chorarbeit war vor zwei Jahren die Nominierung des Chores für die Auszeichnung der Zeitschrift "Opernwelt" für ausgeprägte Spielfreude und gesangliche Leistung bei den Dessauer Operninszenierungen "Lohengrin" und "Die Stumme von Portici". Und - seit 2010 singt der Chor alle Opern in der jeweiligen Originalsprache.
Ein besonderes Erlebnis der jüngsten Vergangenheit war für das Publikum und insbesondere auch für den Chor die erfolgreiche Inszenierung des musikalischen Volksdramas "Chowanschtschina" von Modest Mussorgski.
In der aktuellen Spielzeit stellt der Dessauer Opernchor seine Vielseitigkeit in "Aida", "La Bohème", "Esclarmonde", "Die lustige Witwe" oder bei der Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie unter Beweis. Auch die Operngala, die gerade Premiere hatte, findet unter Mitwirkung des Opernchores statt.
Das Anhaltische Theater Dessau würdigt das 175-jährige Bestehen des Opernchores mit einem festlichen Jubiläumskonzert am 7. Dezember ab 19.30 Uhr. Der Opernchor steht im Zentrum und präsentiert seine weitgespannte musikalisch-stilistische Vielfalt mit vielen Klassikern und berühmten Chorstücken.