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Bei den Telemann-Festtagen gelingt mit "Miriways" eine rundum gelungene Premiere Historischer Moment mit Frischluftzufuhr

Von Caroline Vongries 12.03.2012, 04:33

Mit "Miriways" erlebte am Sonnabend ein lange vergessenes Singspiel bei den Telemann-Festtagen eine wunderbare Aufführung in Magdeburg.

Magdeburg l An einem historischen Moment teilzunehmen, ist immer etwas Besonderes. Zweifellos war die Premiere des Telemann-Singspiels "Miriways" am Sonnabend im Magdeburger Opernhaus ein solches Ereignis: Fast 284 Jahre hat das Drei-Stunden-Opus seit der Uraufführung in Hamburg am 26. Mai 1728 in der Schublade geschlummert. 1982 gab es eine konzertante Erstaufführung - ebenfalls im Rahmen der Telemann-Festtage, die sich mit solch musikalischen Wiederbelebungsversuchen international längst einen Namen gemacht haben.

Nun ist die Inszenierung des preisgekrönten Regisseurs Jakob Peters-Messer im Rahmen des diesjährigen Festivals bei allem Interesse, das die Fachwelt dafür bekundet, weit davon entfernt, akademischen Charakter zu haben. Im Gegenteil, sie ist beschwingt, lebendig, virtuos sowieso. Auf eine erstaunliche Weise kurzweilig - trotz der drei Stunden.

Die Geschichte, die erzählt wird, speist sich aus Zeitungsnotizen der damaligen Zeit über politische Unruhen im Nahen und Mittleren Osten, aus denen tatsächlich die Existenz des heutigen Afghanistan erwächst. Allerdings legt der damalige Librettist Johann Samuel Müller wenig Wert auf politische Korrektheit, so mischen sich in seiner Figur des Fürsten Miriways, einem afghanischen Stammesfürsten, der Kandahar befreit und schließlich sogar den Schah von Persien stürzt, mehrere historische Persönlichkeiten. Doch für Telemanns Oper ist das egal, denn die interessiert sich vor allem für die emotionalen Konflikte ihrer Hauptfiguren.

Konflikt zwischen Neigung des Herzens und Pflichtgefühl

Miriways regiert also schon in der prunkvollen persischen Hauptstadt Isfahan. Doch er ist - höchst ungewöhnlich und leider auch nur im Opernlibretto - bereit, einen Teil seiner Macht wieder abzugeben. Isfahan soll von Sophi regiert werden, dem Sohn des von Miriways gestürzten dekadenten Schahs. Allerdings stellt Miriways eine Bedingung: Sophi soll seine Tochter heiraten. Dies stürzt Sophi in einen heftigen Gewissenskonflikt. Einerseits ist er Miriways zu Dank verpflichtet und seinem Land dazu. Andererseits ist Sophi - wie könnte es anders sein - bereits schwer verliebt: in die schöne Bemira. Es gibt noch ein zweites Liebespaar, das an seinem Glück gehindert wird: Nisibis und Murzah. Hier ist es allerdings der böse Zemir, der für Verwicklungen sorgt.

Der Grundkonflikt ist jedoch der gleiche: Neigung des Herzens und Pflichtgefühl sind nicht überein zu bringen. Zuguter Letzt klappt das - natürlich - doch und rückt auch die Erfahrungswelt von Miriways selbst zurecht. Schließlich durfte der selbst zunächst die Frau seines Herzens nicht heiraten.

Wie sich diese Knoten lösen und vor allem, durch welche emotionalen Wechselbäder die handelnden Personen gehen, darin liegt der Reiz. Zum einen ist da Telemanns Musik. Diese ständige Bewegtheit und nuancierte Gestaltungsfreude wird vom Linzer Barockensemble L\'Orfeo unter der Leitung von Michi Gaigg kenntnisreich und geradezu gepflegt enthusiastisch aufgenommen und wie eine ständige Frischluftzufuhr in den Raum geblasen.

Originelle Einfälle, die nie Selbstzweck sind

Nicht weniger leidenschaftlich und engagiert agieren die Solisten, die zum Teil als Barockspezialisten verpflichtet wurden (Markus Volpert, Ulrike Hofbauer, Stefan Zenkl, Gabriele Hierdeis, Ida Aldrian), zum Teil dem Magdeburger Opernensemble entstammen (Julie Martin du Theil, Susanne Drexl, Ilja Werger). Sie sind allesamt bis zum Äußersten gefordert, denn Telemann ist in seiner Stimmführung höchst anspruchsvoll.

Doch nicht nur der musikalische Part ist ein Hochgenuss, alles ist rund. Das fängt schon beim Bühnenbild an: ein überdimensionaler Orientteppich, quer über die Bühne gespannt, der es in sich hat. Für Anklänge an die Realität sorgt ein hier und da herabgelassener Drahtzaun.

Originelle Einfälle werden unaufdringlich und nie als Selbstzweck in Szene gesetzt. Dies spiegelt sich auch in den Kostümen wider und in der Bildersprache. Eine spannende moderne szenische Weltpremiere, die man nicht verpassen sollte.