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Von Elisa Sowieja Hochzeits-Grinch

01.07.2010, 05:16

Vor-seit-ran, rück-seit – rumms! Der Walzer wird für Moppel-Onkel Schorsch schlagartig vom Tanz zum Beinamen, als er mir den Fuß zerquetscht wie ein Sumo-Ringer, der einen Hobbit übersehen hat. Weil ich plötzlich innehielt. Wegen seiner Frage. Doch ich spüre keinen Schmerz. Ich stehe nur verängstigt da. Mitten auf der Tanzfläche, bei der Hochzeit von Cousine Karola. Wegen dieser Frage gerät mein absurdes Kopfkino in eine Endlosschleife: Ich sehe einen Pfarrer mit blauem Strumpfband auf dem Kopf, der mit Eheringen jongliert. Und Blumenmädchen, die mit weißen Tauben werfen. Alles wegen Onkels Frage: "Na, Mädchen, feiern wir nächstes Jahr endlich deine Hochzeit?"

Dass ich im nächsten Jahr heirate, ist in etwa so wahrscheinlich wie das Szenario, dass Osama Bin Laden den Friedensnobelpreis erhält – und George W. Bush ihn überreicht.

Nicht, dass ich das Heiraten an sich nicht romantisch fände. Im Gegenteil. Aber diese Hochzeitsfeiern verlangen meist ein Maß an Gelassenheit, das ohne medikamentöse Unterstützung kaum zu erreichen ist. Schon für einen Gast ist solch Veranstaltung eine Herausforderung. Welch Grauen erwartet dann erst die Ausrichter?

Das fängt schon bei den Einladungen an. Meine Verwandtschaft neigt dazu, bei derartigen Großereignissen zu Akteuren einer drittklassigen Seifenoper zu mutieren. Lade ich meine Tante Ursel ein – die mit ihren Geburtstagskarten stets auch monetäre Lebenshilfen verschickt –, Tante Ulla aber nicht – die hat mir nämlich zum 18. Geburtstag ein paar Topflappen geschenkt – löse ich eine Familienkrise aus, die sich über Generationen hinziehen würde.

Das könnte unter Umständen so weit führen, dass die gekränkte Ulla auf einer der nächsten Familienfeiern die Spezial-Kaffeesahne der laktose-intoleranten Ursel austauscht. Naja – zumindest würde Ullas Krankheits-Bild unser Familienalbum beträchtlich aufwerten.

Und dann immer diese Büttenreden. Seltsamerweise ist jeder Redner felsenfest davon überzeugt, er habe eine neue Dimension von Eloquenz erreicht, wenn er "Gäste" auf "Feste" reimt. Oder "Braut" auf "traut". Tä-täää! Und das bemitleidenswerte Prinzenpaar muss sich dann auch noch um einen glaubwürdig amüsierten Gesichtsausdruck bemühen.

Aber es sind ja nicht nur die anderen. Wenn ich acht Wochen vor der Hochzeit mit FDH anfange, um mich in mein weißes Traumgewand zu hungern, gilt für mein Umfeld bis zum Tag nach der Hochzeit HDF – halt dich fern. Denn wenn ich länger als eine Woche keinen Karamell-Krokant-Eisbecher genießen kann, werd ich selbst ungenießbar.

Außerdem bin ich eine hoffnungslose Chaotin. Bestimmt würde ich aus Versehen die Köche zum Musizieren auf die Bühne schicken und nicht den Brautstrauß in die Jungfernschar werfen, sondern die Hochzeitstorte – was den feierlichen Gesamteindruck doch erheblich beeinträchtigen könnte.

Zugegeben: Eines Tages werde wohl auch ich Hochzeits-Grinch mich den feierlichen Verehelichungs-Formalitäten ausliefern. Vielleicht sogar freiwillig. Mit Einladungen, Kleid und allem Drum und Dran. Aber wenn es soweit ist, dann will ich wenigstens eine Büttenrede mit einem Reim auf "Karamell-Krokant-Eisbecher".