Lothar Herzog erzählt in der Magdeburger Zwickmühle über seinen Ex-Dienstherren Honecker mit Wadenbiss und Zitronensaft
In der Talkrunde "Mit Schirmer, Charme und Melone" in der Magdeburger Zwickmühle hatte sich Lothar Schirmer am zweiten Adventssonntag den Honecker-Butler und Personenschützer Lothar Herzog eingeladen.
Magdeburg l Es ist unendlich viel über die Honeckers in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten geschrieben und gesagt worden. Aber die Neugier der Betroffenen aus 40 Jahren Staatsdiktatur ist nach wie vor groß. Sie wollen wissen, wie es wirklich war, wie sich ein weltfremdes Politbüro einmauerte, um sich von dem Volk abzugrenzen, das es scheinbar vertrat. So findet denn das Buch des Hauptmanns des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Lothar Herzog, reichlich Interesse, denn kaum jemand war Tag und Nacht so dicht an den Honeckers wie er.
Lothar Schirmer, früher Kriminalist und "Öffentlichkeitsarbeiter" bei der Polizei in Magdeburg, erweist sich als Gastgeber, dem es gelingt, den einst per Befehl zum Schweigen verdammten zum Plaudern zu bringen. Und der erzählt dann auch aus seinem Leben, von den Eigenheiten der Familie Honecker, von gemeinsamen Urlauben und Gerüchten um das Eheleben. Und trotzdem bleibt der Eindruck, dass der Gast auch heute und jetzt, weder in seinem Buch noch in der Gesprächsrunde, wirklich aus dem Nähkästchen plaudert. Vielleicht weiß der gelernte Kellner aber auch wirklich nichts.
Sein Dienst begann in der Ära Ulbricht
Mit 18 Jahren, gerade als die Mauer gebaut wurde, und er in einem Nobelhotel in Karl-Marx-Stadt seine Lehre beendet hatte, erschienen zwei Männer, die ihn fragten, ob er in Berlin arbeiten wolle. Er sagte ja, weil, wie er erzählte, dem Dienst als Grenzsoldat entgehen wollte.
Sein Dienst begann in Wandlitz in der Ära Ulbricht. Doch davon spricht der Talkgast kaum. Außer, dass Lotte Ulbricht den obligatorischen Frack für die Bediensteten abschaffte, weil dieses Kleidungsstück bei 35 Grad im Schatten nicht nur unpraktisch, sondern ihr auch zu "bourgeoise" war, bleibt dieser Bereich ausgeblendet, obwohl gerade die Wechselzeit von Ulbricht zu Honecker interessant gewesen wäre.
Die Stasi-Offiziere, die mit Argusaugen über das Wohlergehen der SED-Granden wachten, testeten mit dem jungen Lothar Herzog dessen Tauglichkeit gegenüber dem neuen Machthaber Erich Honecker. Er durfte ihn einige Tage bedienen, musste rund um die Uhr für ihn da sein. Wäre der Generalsekretär der SED zufrieden, dann hätte er den Job, ansonsten wäre seine Karriere beendet, wurde ihm eröffnet. Honecker allerdings sagte gar nichts, woraus die Vorgesetzten des jungen Kammerdieners schlossen, dass er akzeptiert sei. Von nun an war er Tag und Nacht an der Seite seiner Herrschaft, erst später wurde eine Art Schichtdienst mit weiteren "Kollegen" eingerichtet, so dass er auch Freizeit hatte.
Millionen von Kilometern hat er per Flugzeug, im Regierungszug oder im Auto den SED-Diktator begleitet, war mit ihm in über 30 Ländern der Erde, hat ihm jeden Morgen den Saft einer ausgepressten Zitrone serviert, war mit Margot Honecker einen Tag lang allein in Paris, weil die Fluglotsen streikten, hat erlebt, wie Erich Honecker vom Hund seines Enkels in die Wade gebissen wurde und hat praktisch außer Danke und Bitte kein persönliches Wort mit seinen Dienstherren gewechselt. Das scheint fast unmöglich.
Wortloser Abschied nach zwölf Jahren
Nur einmal wird der Talkgast von Lothar Schirmer persönlich und zeigt sich betroffen. Das war der wortlose Abschied nach zwölf Jahren treuer Dienste, weil er Erich Honecker bat, den Hund des Enkels bei einem Gästebesuch nicht im Zimmer zu belassen. Der SED-Parteichef willigte ein, aber der Enkel warf sich auf den Boden und veranstaltete eine fürchterliche Szene. Das war das Ende der Karriere von Lothar Herzog.
Die nächste Talkrunde in der "Magdeburger Zwickmühle" im Januar hat den Radiomoderator und Entertainer Carlo von Tiedemann zu Gast.