Im Gespräch mit dem Schriftsteller Sten Nadolny, der am Sonntag 70 Jahre alt wird "Ich bin kein Bestsellerautor von Beruf"
Bestsellerautor Sten Nadolny ("Die Entdeckung der Langsamkeit") wird am 29. Juli 70 Jahre alt. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa warnt er vor "Wichtigtuerei" im Schriftstellerberuf und verrät, dass er eigentlich einen falschen Namen hat.
Frage: Ist es lästig, ständig am eigenen Erfolg gemessen zu werden?
Sten Nadolny: Ich finde es immer komisch, wenn jemand schreibt: 1983 veröffentlichte Nadolny einen Millionenseller. An diesen Erfolg konnte er nie wieder anknüpfen. Das ist, wie wenn man sagt: 1960 gewann er im Lotto. An diesen Erfolg konnte er nie wieder anknüpfen. Ich bin ja kein Bestsellerautor von Beruf, sondern es ist mir nur zufällig mal einer gelungen. Das ist ein durch nichts vorauszusehender Glücksfall. Es gibt so unglaublich viele sehr, sehr gute Bücher, die sich gar nicht so sehr gut verkaufen. Deswegen ist es eigentlich lächerlich, das an den Verkaufszahlen festzumachen.
Frage: Sollten Schriftsteller wieder stärker Wortführer gesellschaftlicher Debatten sein?
Nadolny: Nein, das wünsche ich mir weder für heute, noch trauere ich dem sogenannten politischen Schriftsteller allzu sehr nach. Meine beiden Eltern waren ja Schriftsteller und ich habe schon lange vor meiner eigenen Schreiberei viel von dem Beruf mitgekriegt. Mich hat immer ein bisschen gestört, dass da doch sehr viel Wichtigtuerei und Ignoranz mitspielen. Da wird dann irgendein Empörungsthema gesucht, zu dem man unglaublich große, löwenhafte Worte findet, aber die Sache hat man eigentlich nicht so richtig durchdrungen.
Frage: Ein Schriftsteller hat also keinen gesellschaftspolitischen Auftrag?
Nadolny: Von wem sollte er den haben?
Frage: ... oder eine besondere moralische Verpflichtung, sich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen?
Nadolny: Eine so besondere nicht, zweifellos aber die allgemeine als Bürger. Wäre ich in einem Land, in dem Diktatur und Folter herrschen, würde ich hoffentlich den Mut aufbringen, genau das zu tun, was nötig ist, und diese Dinge benennen. Aber wir haben eine andere Situation. Bei uns so zu tun, als würden wir unterdrückt, hielte ich für unseriös und wichtigtuerisch. Allerdings kann man sehr viel und lange darüber diskutieren, ob wir dabei sind, uns diese Demokratie aus den Fingern gleiten zu lassen.
Frage: Trotz Ihrer "Polit-Abstinenz" haben Sie sich im Wahlkampf 2009 für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier eingesetzt?
Nadolny: Nicht erfolgreich, wie ich zugeben muss, aber ich würde es jederzeit wieder tun. Ich bin nicht der geborene engagierte Schriftsteller. Aber ich habe Steinmeier persönlich kennengelernt. Und ich kann ihn mir besser als Kanzler vorstellen als jeden anderen.
Frage: "Die Entdeckung der Langsamkeit" hieß Ihr Bestseller. Gelingt es Ihnen selbst, im Internetzeitalter nach Ihrem eigenen Rhythmus zu leben?
Nadolny: Das ist ein Privileg meines Berufs - aber auch ein sehr notwendiges Privileg. Denn ich schreibe ja nichts Gescheites, wenn ich nicht genügend darüber nachgedacht und die Sache von allen Seiten betrachtet habe. Dazu ist der Liegestuhl sehr geeignet. Ich glaube übrigens nicht, dass vor zehn oder zwanzig Jahren alles besser war. Die Zeiten waren immer schon zu schnell für das nötige Nachdenken, vielleicht sogar im Mittelalter. Man muss sich die Zeit für sich selbst einfach nehmen.
Frage: Was tun Sie denn, außer im Liegestuhl zu sitzen?
Nadolny: Ich lese gern Arbeiten von jüngeren, angehenden Kollegen und halte das auch für eine Art Verpflichtung. Ich habe gemerkt, dass ich da durchaus Ratschläge geben kann. Und sonst mache ich das, was man so macht: Ich versuche mein Leben in Ordnung zu halten, meine bürgerliche Existenz irgendwie hinzukriegen, alle Formulare auszufüllen und meinen Garten in Bayern nicht zu sehr verwildern zu lassen.
Frage: Woher kommt Ihr Name?
Nadolny: Nadolny ist ein slawischer Nachname, von dem ich bis heute nicht genau weiß, was er bedeutet. Und der Vorname wird eigentlich Ste(e)n gesprochen, mit langem "e", und ist skandinavisch. In Schweden kommt er häufig vor. Aber meine Eltern haben mich immer Sten genannt und ich habe mein halbes Leben geglaubt, das sei richtig, bis ich der ersten Schwedin meines Lebens begegnete. Und als ich der sagte, ich heiße Sten, antwortete sie: Ähä, das glaub ich nicht. Seither weiß ich, dass ich eigentlich anders heiße, als ich mich immer nenne.