Filmfestspiele Jafar Panahi überrascht mit Film über Haft in Iran
Erstmals seit über 15 Jahren reist der iranische Star-Regisseur Jafar Panahi zu einem Festival: In Cannes zeigt er „Un Simple Accident“ – heimlich gedreht, offen über Folter und Haft im Iran.

Cannes - Der iranische Regisseur Jafar Panahi, der lange mit einem Arbeits- und Reiseverbot belegt war, teilt in seinem neuen Film unerwartet offen Erlebnisse aus seiner Zeit als politischer Gefangener. In Cannes präsentierte der 64-Jährige das heimlich gedrehte Werk „Un Simple Accident“ unter großem Jubel und Standing Ovations.
Nach über 15 Jahren war es das erste Mal, dass Panahi persönlich zu einem der drei großen Filmfestivals reisen konnte - nachdem seine Filme sowohl in Cannes als auch bei der Berlinale und in Venedig mehrmals in seiner Abwesenheit Premiere feierten. Ob er dieses Mal nach Cannes kommen kann, war lange nicht klar. Seine Ehefrau und seine Tochter begleiteten ihn auf dem roten Teppich.
Eine Gruppe Ex-Gefangener trifft auf ihren mutmaßlichen Folterer
Panahi setzt sich in seinen Filmen kritisch mit der Politik der Islamischen Republik auseinander. Von Juli 2022 bis Februar 2023 war er inhaftiert - gemeinsam mit seinem Kollegen Mohammad Rasoulof. „Un Simple Accident“ erzählt von dieser Zeit und stellt die Frage, ob Gewalt bei der Suche nach Gerechtigkeit gerechtfertigt ist.
In einem Interview der „Zeit“ berichtete Panahi von Einschüchterungsversuchen durch iranische Behörden. „Der Geheimdienst hat Crewmitglieder sowie die Schauspielerinnen und Schauspieler zu Verhören einbestellt“, sagte er. „Natürlich bin ich immer mitgegangen und habe vor dem Gebäude gewartet, bis sie wieder herauskamen.“
Der Film handelt von einer Gruppe von ehemaligen Gefangenen, die ungeplant den Agenten entführen, der sie mutmaßlich in einem iranischen Gefängnis gefoltert hat. Eines der Folteropfer sieht den Geheimagenten zufällig wieder und kidnappt ihn in seinem Bus mit dem Ziel, sich zu rächen und ihn umzubringen. Dann kommen ihm allerdings Zweifel. Er sucht eine Reihe von anderen Folteropfern auf. Gemeinsam versuchen sie zu verifizieren, dass es ganz sicher der Mann ist, dessen Opfer sie wurden.
Panahi: Film beruht auf Gesprächen im Gefängnis
Daraus entwickelt sich eine Art chaotischer Roadtrip, auf dem die Gruppe in hitzige Diskussionen darüber gerät, was eine angemessene Form der Rache ist. Öfter geht es um die zutiefst gewaltvollen Erfahrungen, die die Beteiligten in Gefangenschaft gemacht haben. Ein Mann erzählt etwa davon, drei Tage kopfüber aufgehängt worden zu sein, damit er Namen verrate. Trotz des schweren Themas gibt es im Film aber auch humorvolle Momente.
Panahi sagte in einem Interview, dass seine Zeit im Gefängnis den Film inspiriert habe. „Alle Figuren, die Sie in diesem Film sehen, wurden von Gesprächen inspiriert, die ich geführt habe, von Geschichten, die sie mir erzählt haben, von der Gewalt und der Brutalität der iranischen Regierung gegenüber Gefangenen, einer Gewalt, die nun schon seit mehr als vier Jahrzehnten anhält“, sagte er dem „Hollywood Reporter“.
Er betonte in dem Interview auch, dass er sich nicht vorstellen könne, den Iran zu verlassen - anders als etwa Rasoulof, der nach Deutschland geflohen ist.