Sinfoniekonzert der Philharmonie unter Leitung von Anu Tali aus Estland Junger estnischer Pianist erntet in Magdeburg Bravo-Rufe
Magdeburg. An diesem Abend stimmte so gut wie alles. Das war ein Schlussakkord dieser Saison, wie er hätte harmonischer nicht sein können. Die Magdeburgische Philharmonie gab ihr letztes Sinfoniekonzert vor der Spielzeitpause, noch einmal unter der musikalischen Leitung der jungen estnischen Dirigentin Anu Tali.
Sie hatte sich in der vergangenen Spielzeit um das Amt als Generalmusikdirektor in Magdeburg beworben, die Entscheidung fiel jedoch auf den gebürtigen Taiwanesen Kimbo Ishii-Eto. Aber keine Frage, zwischen Anu Tali und der Magdeburgischen Philharmonie stimmte die Chemie.
Zur Sommerhitze passte das knapp zehnminütige "Prélude à l’après d’un faune" (Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns) gleich zu Konzertbeginn. Tali ließ die Flöte mit ihrem berühmten Motiv ganz selbständig beginnen, so traumverloren, so stimmungsvoll. Es entstand ein fortlaufender musikalischer Strom lasziv schillernder Musik mit ständigen Beschleunigungen und Verzögerungen, Crescendi und Decrescendi.
Die kleine temperamentvolle Stardirigentin Anu Tali, die Anfang des Jahres schon einmal am Magdeburger Opernhaus zu einem Sinfoniekonzert und der "Carmen"-Premiere Begeisterungsstürme entfachte, dirigierte dabei sehr präzise und gab trotzdem mit einer stark suggestiven linken Hand die wichtigen musikalischen Impulse für die Interpretation. Und das sollte auch an diesem Abend ihr und damit auch dem Orchester zu großem Erfolg verhelfen.
Anu Tali hatte für das Grieg-Klavierkonzert a-Moll op.16 als Solisten einen Landsmann mitgebracht, den erst 24-jährigen Pianisten Mihkel Poll aus Tallinn, der derzeit noch an der Estnischen Musikakademie und der Londoner Guildhall School of Music & Drama studiert. Dieser präsentierte das Werk (Griegs Reminiszenz an Schumann) auf so fesselnde Weise, mit nicht nur technisch brillanter Anschlagskultur, sondern gepaart mit einer sensiblen geistigen Annäherung. Polls gereifte Agogik und Dynamik ließen die innere feine Verwobenheit und Lebendigkeit des Solo-Konzertes beeindruckend zum Tragen kommen. Seine Kadenzen wurden zu meisterhaften Improvisationen, er nuancierte zwischen dosiert kraftvoll und sensibel, ließ das Werk romantisch schwebend und luftig.
Den anregenden Dialog zwischen Orchester und Solist leitete die Dirigentin mit großem Kontakt zum Solisten ausgezeichnet. Es schienen sich alle Musiker einig – ein leidenschaftliches Gesamtkunstwerk, bei dem sich der Klavierpart unprätentiös in den Orchesterpart einfügte, ohne an Bedeutung zu verlieren. Die Magdeburgische Philharmonie bewies dabei Wohlklang und Temperament, ohne zu dominieren. Eine begeisternde Symbiose mit einem jungen pianistischen Newcomer, der Jubel, Trampelapplaus und Bravos beim Konzertpublikum hervorrief.
Klare Tempi- und Charaktervorstellungen Anu Talis machten auch schließlich die Dvorak-Sinfonie Nr. 8 "Die Englische" G-Dur op. 88 zum Ereignis. Die Holzbläser hatten hier vielleicht den größeren Anteil an der wunderbar durchgearbeiteten und musizierten Sinfonie. Die folkloristisch turbulente Stretta am Schluss zeugte noch einmal von der weiblichen Empathie der Dirigentin – feinfühlig, ausgeglichen und kraftvoll. Ihr gelang damit ein krönender Saisonausklang. In der neuen Spielzeit wird sie gemeinsam mit der Magdeburgischen Philharmonie noch einmal zum ersten Sinfoniekonzert (02./03.09.) und zum Weihnachtskonzert (26.12.) zu erleben sein.