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Kabarett "Väterdämmerung" bei den Hengstmanns

Das Kabarett „nach Hengstmanns“ in Magdeburg setzt auf Kontinuität und Abwechslung. Jetzt feierte die „Väterdämmerung“ Premiere.

Von Klaus-Peter Voigt 09.03.2019, 23:01

Mageburg l Klappe, die Neunte! Die Familienbande Hengstmann inszeniert für die Bühne des Kabaretts „nach Hengstmanns“ eine generationenübergreifende Geschichte. In den gut zehn Jahren des Bestehens des Brettl´s bereits zum neunten Mal. An Frische fehlt es keineswegs, die unterschiedlichen Handschriften ergänzen sich unkompliziert und gekonnt. Regisseur Bernd Kurt Goetz lenkt die Spielfreude in eine Richtung, bei der der Spannungsbogen im Publikum ankommt. Temporeich geht das Stück über die Bühne, da bleibt kaum Zeit zum Luftholen.

Frank Hengstmann eröffnet die „Väterdämmerung“ mit einer musikalischen Improvisationsetüde. Er arbeitet sich an einem Mix bekannter Melodien, von Beethoven bis zu „Trink mer noch ein Tröpfchen“ ab, gibt unumwunden zu, dass alles geklaut sei. Heute gehöre das zur Normalität, da wolle er nicht allein komponieren. Blitzschnell ist der Wechsel zum 100-jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts.

Seine Schlussfolgerung mit Blick auf die Suffragetten in Großbritannien, die Anfang des 20. Jahrhunderts dafür auf die Straße gingen, lautet: „Schuld sind wieder mal die Engländerinnen!“ Sebastian Hengstmann fällt seinem Vater ins Wort, nennt ihn mit Blick auf frauenfeindliche Witzchen einen „verbalterroristischen Bonsai-Macho“. Die Fronten sind klar, denn auch Bruder Tobias fährt scharfe Geschütze auf. Man könne den Auftritt des Erzeugers „nicht länger verantworten“ und verweist ihn der Bühne.

Das Spiel bleibt in voller Fahrt. Es lebt vom Wechsel der Akteure, ihrem Zusammenwirken in unterschiedlichen Koalitionen, den musikalischen Talenten. Jeder der drei Kabarettisten steht zudem solistisch vor dem Publikum. Alle haben damit die Chance, ihre Stärken auszuspielen, die eigenen Texte souverän anzubieten.

Das Genres des immer seltener werdenden Ensemblekabaretts feiert in Magdeburg soseine Wiederkehr. Man nimmt bundespolitische Themen aufs Korn, lästert über den Entwicklungshilfeminister, der in Afrika um Hilfe für sein defektes Flugzeug bitten muss.

Seehofer bekommt sein Fett weg, dessen PKW-Maut sechs Jahre nach der offiziellen Einführung noch immer auf sich warten lässt. Das Kabarettistentrio lässt keinen Witz, keinen Zote aus, die zum Thema passen. Dabei werden die Pointen zielsicher gesetzt, scheinbare Ausrutscher sofort korrigiert.

Das Konzept kommt an, die Zuschauer haben offensichtlich an den Wortgefechten ihren Spaß. Fast spielerisch gibt es Lehrstücke in aktueller Politik.

Zum Auftakt des zweiten Teil des Abends singt Sebastian Hengstmann ein Couplet ganz im Stil Otto Reuters. Sein Lied über die Post beginnt beim Posthorn führt über den Telegrafen bis hin zu den schnellen Möglichkeiten von Internet und E-Mail. Welche Gefahren bei den sozialem Medien lauern, macht er am Beispiel Facebook und der ausufernden Pseudofreundschaften dem Vater deutlich.

Den Epilog im Programm bestreiten alte Bekannte: Manni Fest (Frank) mit Magdeburger Slang, Malte (Sebastian) als altkluger Langzeitstudent und Tobias alias Matze, der den jungen Proll gibt und sein mimisches Talent dabei voll ausspielt. Es geht um Fachkräftemangel, Ausländer, Bürokratie, Frauenqote und die vor 30 Jahren gefallene Mauer. Man doziert über Gott und die Welt.