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Film Großstadtgedicht über die Liebe

Der Episodenfilm "Berlin, I Love You" strotzt vor Superstars. Doch bei der Entstehung des Werks knallte es gewaltig.

05.08.2019, 23:01

New York (dpa) l Wenn bei einem neuen Film mehr über seine Entstehung als über den Inhalt gesprochen wird, dann deutet das auf gehörige Probleme hin. "Berlin, I Love You" ist so ein Fall. Schon im Vorfeld gab es Häme von einigen Bewohnern der Stadt, Kritik vom damaligen Berlinale-Chef Dieter Kosslick und sogar einen kleinen Skandal um den chinesischen Künstler Ai Weiwei. Der Regimekritiker hatte einen Kurzfilm für den Episodenreigen gedreht, erlebte aber dann eine Überraschung: Sein Teil war herausgeschnitten worden.

In einem Interview mit der Deutschen Welle vermutete der Künstler hinter diesem Rausschmiss Zensur. Die Verantwortlichen hätten aus Angst vor politischen Konsequenzen und schlechteren Vermarktungschancen vor der Regierung gekuscht, erklärte er. Angeblich hätte sogar die Berlinale den Film abgelehnt, weil Ai Weiwei ein Teil davon war. Der damalige Festivalchef Kosslick wies das damals zurück. "Wir haben den Film nicht ausgewählt, weil er einfach grottenschlecht ist", erklärte er unumwunden. Das sitzt – und passte zu manchen Reaktionen in der Hauptstadt auf den Trailer.

Dort gab es bereits für den Werbeclip zum Film viel Spott. Berlin, das ist doch immerhin die Stadt, in der alte Matratzen am Straßenrand liegen und man im U-Bahnhof auch mal über eine Pfütze Erbrochenes steigen muss. In der Filmvorschau jedoch wirkte die Metropole wie ein aufgeräumtes Jeder-findet-seine-große-Liebe-Paradies – ein global seltsam unverankerter Ort zum Wohlfühlen für die Mittelschicht.

Genauso sahen bereits die anderen Teile dieser Reihe aus. "Cities of Love" heißt sie – das sind Episodenfilme, die immer in einer anderen Großstadt mit Kurzfilmen berühmter Regisseure von der Liebe erzählen. Vier Teile gab es bereits. Das bei Kritik und Publikum passabel erfolgreiche "Paris, je t'aime" spielte im Jahr 2006 weltweit mehr als 17 Millionen Dollar ein und "New York, I love you" zwei Jahre später kam immerhin noch auf rund acht Millionen Dollar. Es folgten Tbilisi, Rio – und nun eben die deutsche Hauptstadt, wieder mit einer beeindruckenden Starbesetzung.

Helen Mirren ("The Queen") und Keira Knightley spielen dabei in einer Episode über ein Flüchtlingskind Mutter und Tochter, Altstar Mickey Rourke lernt in einer weiteren Episode in einer Bar eine mysteriöse Frau kennen und Hannelore Elsner ist in einer ihrer letzten Rollen zu sehen. Inszeniert wurden die Teile unter anderem von Dani Levy ("Alles auf Zucker"), Dennis Gansel ("Die Welle") und Peter Chelsom ("Hector Reise oder die Suche nach dem Glück").

Doch unter anderem eine unglückliche Feminismus-Episode mit Veronica Ferres als schnodderige Waschsalon-Besitzerin zeigt, was alles nicht stimmt mit "Berlin, I Love You": Die Dialoge, mit denen ein Filmregisseur kritisiert wird, der mit jungen Schauspielerinnen schläft bevor sie einen Vertrag bekommen, geraten platt; eine kurz darauf folgende Party sieht aus wie in einer Vorabendserie und etwas Neues zu sagen hat die Szene auch nicht. Kaum berühren kann auch eine hölzerne Rahmenhandlung mit Robert Stadlober als Straßenkünstler.

Neben solchen misslungenen Einzelepisoden fehlt aber auch dem vollständigen Film das Gespür für den Reiz der Hauptstadt. Pflichtschuldig wird in Schwarz-Weiß-Animationen die Zeit des Mauerbaus abgearbeitet oder die Charaktere fahren mal eben im Auto an Siegessäule und Brandenburger Tor vorbei.

Doch sonst bleibt die Faszination Berlins spröde und die Zuschauer fühlen sich wie Reisende, die mit Jetlag durch hohle Kulissen tapsen. "Ist das typisch Berlin?", fragt eine Figur an einer Stelle. "Nein, nichts ist typisch Berlin", bekommt sie als Antwort. Das aber ist genauso faul und uninspiriert wie dieser komplett verzichtbare Kurzfilmkatalog.