Wie prominente Künstler versuchen, ihre Darstellung in den Medien zu zensieren Kontrolle über das geschriebene Wort
In seinen Shows teilt der Komiker Kurt Krömer aus. Markenzeichen sind Provokationen und Frechheiten, unkonventionelle Fragen und Unberechenbarkeit. Krömers Gesprächspartner brauchen ein dickes Fell. Er selbst jedoch gibt Interviews nur unter strengen Auflagen.
Magdeburg l Spiegel-Journalist und Buchautor Matthias Matussek war bei der neuen "Late Night Show" am vergangenen Sonnabend gar nicht zum Lachen zumute. Krömer nannte ihn "hinterfotziges Arschloch" und "Puffgänger". Matussek wollte Teile der Sendung verhindern, bekam aber vor Gericht kein Recht. Die Juristen sahen die Persönlichkeitsrechte von Matussek nicht verletzt. "Kurt Krömer sei eine "Kunstfigur", die sich ,einer bewusst distanzlosen Sprache\' bediene, ,um die Gäste zu provozieren\', zitierte der Berliner "Tagesspiegel" aus der Begründung des Gerichts.
Die Sendung wurde ausgestrahlt. Unzensiert.
Ganz so unzensiert geht\'s nicht zu, wenn ein Journalist Krömer befragen will. Kein Interview ohne schriftliche Vereinbarung. Die soll regeln, worüber nicht gesprochen werden darf: Kinder, Familie, Lebenspartnerin, Gesundheit. Und was Krömer dann so plaudert, muss seiner Berliner Agentur vorgelegt und ganz und gar autorisiert werden: Direkte und indirekte Zitate, auch jene in Bildtexten und Zwischenüberschriften. Die Reglementierung reicht bis hin zu sämtlichen Fotos, die im Laufe des Gespräches entstanden sind. Auch die müssen vorgelegt und autorisiert werden. Gibt\'s kein "Ja" fürs Foto, gibt\'s keine Veröffentlichung.
Furchtbare Interviews, weil man sich völlig missverstanden fühlt?
Autorisierungen von Interviews gehören zum normalen Geschäft im Journalismus. Bei vielen Künstlern geht das zügig und problemlos. Beide Seiten setzen auf Vertrauen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle aber besser? Kontrolle durch eine Interviewvereinbarung ist in der Branche mittlerweile kein Einzelfall mehr. Im Oktober 2012 hat es einen (kleinen) Aufschrei in den Medien gegeben, als Schauspieler Til Schweiger und der NDR in Hamburg das neue "Tatort"-Projekt vorstellten und Schweigers Management unter strengen Auflagen Interviews angeboten hatte.
Einige Zeitungen verweigerten damals die Unterschrift - und verzichteten damit auf das Gespräch. In Hamburger Politikkreisen wurde gar von versuchter Pressezensur gesprochen. Schweiger selbst fand das lächerlich. "Ich habe das früher nicht gemacht, und deswegen gab\'s ganz viele furchtbare Interviews von mir", wurde Schweiger von der Nachrichtenagentur dpa zitiert.
Furchtbare Interviews, weil man sich im gedruckten Blatt falsch zitiert sieht, sich völlig missverstanden fühlt? Weil man vielleicht etwas preisgab, was eigentlich gar nicht gesagt werden sollte? Oliver Kahn erging es wohl so, als er mit der Wochenzeitung "Die Zeit" einst über seine Degradierung zur Nummer 2 im deutschen Fußballtor sprach. Das Interview zog er zurück. Auch das ist kein Einzelfall.
"Agenturen von Prominenten versuchen, vieles neu zu formulieren."
"Grundsätzlich gilt das Recht auf das eigene Wort", sagt Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Autorisierungen, so sagt Zörner, seien sinnvoll, um mögliche sachliche Korrekturen vorzunehmen. Die Fakten sollen stimmen, das sei auch für den Journalisten eine Absicherung. Aber laut Zörner komme es immer häufiger vor, dass Agenturen von Prominenten versuchen, vieles neu zu formulieren. Da werde in Größenordnungen gestrichen und hinzugefügt. "Das ist keineswegs akzeptabel", sagt Zörner. Der DVJ-Mann lehnt die Unterschrift unter Interviewvereinbarungen ab.
Was ist das gesprochene Wort wert? Richtlinien zu einer Interviewautorisierung gibt es nicht.
Für Fotografen, die bei Rock- und Popkonzerten für Zeitungen und Zeitschriften fotografieren sollen, sieht die Situation noch ärgerlicher aus. Kein Blitz, in vielen Fällen keine Nahaufnahmen, schlechte Blickwinkel, Aufnahmen nur innerhalb der ersten drei Titel - jeder Hobby-Handy-Fotograf in den vorderen Reihen hat es einfacher. Für Profis hingegen sind das schwierige Arbeitsbedingungen, zumal immer öfter die Forderungen bis hin zur Einmalverwendung von Fotos und zum Abtreten der Bildrechte reichen. Der Journalisten-Verband spricht von "Knebel-Verträgen". Immer wieder gab es deshalb Boykott-Aktionen.
Selbst Superstar Robbie Williams erlebte schon solch einen Boykott, als vor Jahren zum Start seiner Deutschlandtour Agenturfotografen ausgeschlossen worden waren. Die hatten dann auch prompt ihre Wortjournalisten zurückgezogen. Und die "Süddeutsche Zeitung" fragte: "Robbie ... wer?" Die "Dresdener Neuesten Nachrichten" sollen den geplanten Platz für das Konzert einfach weiß gelassen haben.
Das sind Gratwanderungen im journalistischen Geschäft. Doch wie weit dürfen Zugeständnisse gehen? Wo hört der Kompromiss auf? Jede Zeitung muss für sich in solchen Fällen eine Antwort finden. Die Interviewvereinbarung mit Kurt Krömer hat die Volksstimme nicht unterschrieben.