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Kühne Architektur: Nationalgalerie in Singapur

Mit einem spektakulären Museumsbau prunkt Singapur in Südostasien. Architektur-Fachzeitschriften schwärmen, Besucher betrachten ehrfürchtig die historischen Räume. Und die Kunst?

Von Christiane Oelrich, dpa 21.03.2016, 17:20

Singapur (dpa) - Dach und Wand wie ein fließender goldener Vorhang und Stützpfeiler wie gigantische Bäume - so präsentiert sich die neu geschaffene Nationalgalerie Singapurs einem staunenden Publikum.

Das französische Architekturbüro Studio Milou hat mit der eleganten Konstruktion zwei nicht mehr genutzte Bauten aus den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verbunden und ein spektakuläres Kulturgelände geschaffen. Fantasie kennt keine Grenzen, lobt das Fachmagazin Architektur.

Die Mauern, einst das Oberste Gericht und die Stadtverwaltung, sind eng mit der südostasiatischen Geschichte verbunden: hier unterzeichneten die Japaner 1945 ihre Kapitulation, hier wurde nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1959 das erste Kabinett unter Staatsgründer Lee Kuan Yew vereidigt. Lee starb 2015 ein paar Monate vor Eröffnung des Museums im Alter von 91 Jahren. Der Grundstein des Obersten Gerichts ist erhalten, mit Zeitungen und Münzen in einer Zeitkapsel vom 31. März 1937. Sie soll erst im Jahr 3000 geöffnet werden.

Singapur hat sich unter Lees autoritärer Führung in wenigen Jahrzehnten von einer ärmlichen Insel ohne Rohstoffe in eine moderne Hochhausmetropole gewandelt. Der südostasiatische Stadtstaat mit heute 5,5 Millionen Einwohnern hat als Finanzzentrum Weltruf und ist Asien-Standort für Unternehmen aus aller Welt. Das Pro-Kopf-Einkommen gehört zu den höchsten der Welt.

Mit der Nationalgalerie will die Regierung unter Lees Sohn Lee Hsien Loong nun Maßstäbe als Kunstort setzen. Zwar macht das Museum bislang vor allem durch die Architektur, die Geschichte der Gebäude und nicht zuletzt einen stilvollen Shop mit Café Schlagzeilen. Aber die künstlerischen Ambitionen sind groß: die Nationalgalerie ist mit
19 000 Quadratmetern größer als das Guggenheim-Museum in New York (4750 Quadratmeter) oder die Pinakothek der Moderne in München
(12 000 Quadratmeter) und beherbergt die größte Sammlung moderner Kunst Südostasiens. Von 10 000 Gemälden, Fotografien, Zeichnungen, Plastiken und Installationen auf Öl, Seide und Bambus ist nur ein Bruchteil ausgestellt.

Paradestück ist ein Monumentalwerk des Indonesiers Raden Saleh (1811-1880). Das drei Mal vier Meter große Ölgemälde zeigt vor einem Waldbrand flüchtende Tiger. Einer starrt dem Betrachter mit panischem Blick direkt in die Augen. Saleh malte das Bild 1849 in den Niederlanden, der Kolonialmacht Indonesiens. Das Werk zeigt den Einfluss europäischer Romantiker: Natur und Emotion.

Wir zeigen, wie südostasiatische Künstler solche Stile ihrem heimischen Kontext anpassten, sagt der für die ständige Ausstellung zuständige Direktor Sze Wee. Die Galerie zeigt, wie koloniale Kunstschulen im französisch besetzten Vietnam Künstler von Anfang des 20. Jahrhunderts beeinflussten. Franzosen führten etwa die Idee von lebende Modellen ein, und Fixpunkt-Perspektiven.

In den 50er und 60er Jahren, vor allem im Kampf gegen Kolonialherren, wurden viele Künstler politisch. Sie glaubten, mit Botschaften in ihren Bildern die Gesellschaft ändern zu können, sagt Sze Wee. Freiheitskämpfer tauchen in Werken auf. Ein Bild des Indonesiers Sudjojono (1913-1986) heißt Für das Mutterland Wache stehen.

Andere Künstlern fanden den Realismus zur gleichen Zeit altmodisch oder sogar kolonialistisch. Sie setzten auf das Abstrakte, wie Werke aus den Philippinen zeigen. In den 70er Jahren inspirierte der Expressionismus aus Deutschland Künstler, sagt Sze Wee: Es gab Künstler, die glaubten, spirituelle Erlebnisse ihrer eigenen Kultur nur mit kräftigen Pinselstrichen zum Ausdruck bringen zu können.

Seit den 70er Jahren werde die Kunst zunehmen global. Man kann den Bildern weltweit eigentlich nicht mehr ansehen, woher der Künstler kommt. Das habe mit Wohlstand zu tun: es gab mehr Sammler, die für Kunst mehr zahlten und Künstlern erlaubten, sich ganz ihrer Kunst zu widmen, zu reisen oder Kunstschulen zu besuchen. Die Chance, sich neuen Ideen zu stellen, provozierte Künstler, selbst in neuen Dimensionen zu denken. Südostasiatische Kunst sei kein Abklatsch europäischer Stile, betont Sze Wee. Schließlich lassen Künstler in aller Welt sich stets von Fremdem inspirieren, sagt er.