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Magdeburger Puppentheater inszeniert Weihnachtsmärchen Frau Holle lässt zwei ungleiche Mädchen reifen

25.11.2010, 04:14

Von F.-René Braune

Magdeburg. Hahn Henrik leuchtet blau, wird von Marie mit Katzenfutter verwöhnt und gibt regelmäßig seine kikerikienden Kommentare zum jeweiligen Geschehen ab. Das schimmernde Federvieh ist Maries einziger Freund, denn das Leben der liebenswerten Maid wird ihr von zwei Mitbewohnerinnen nicht gerade leicht gemacht: Da ist eine Erziehungsberechtigte, für die das Wort "Stiefmutter" hätte erfunden werden müssen, und eine zweite Marie, deren herausragende Charaktereigenschaft darin besteht, jeder mit Arbeit verbundenen Tätigkeit aus dem Weg zu gehen.

Kenner der deutschen Märchenwelt werden spätestens jetzt wissen, dass es um Frau Holle geht, das diesjährige Weihnachtsmärchen des Magdeburger Puppentheaters. Bei den Proben erzählte Dramaturgin Sandy Gärtner, dass sie in der Geschichte mehr sieht als nur die Konfrontation von fleißig und faul, von gut und böse: "Dieses Märchen ist sehr reich an Symbolik – da ist Frau Holle als Göttin des Lebens, die verlorene Spule als Lebensfaden und schließlich der Reifeprozess zweier sehr unterschiedlicher Mädchen. Mit unserer Inszenierung wollen wir sie auf ihrer Reise begleiten und ihre jeweiligen Wandlungen verdeutlichen, aber ohne dabei pädagogisch zu werden. Uns geht es einfach darum ein schönes Märchen mit vielen Zwischentönen zu erzählen, an dem Kinder ab vier Jahre ihren Spaß haben."

Ein Besuch der Probe macht dem Zuschauer schnell klar, dass dieses Ziel zweifellos erreicht werden dürfte. Puppenspielerin Gerhild Reinhold führt die fast lebensgroße Stiefmutter auf eine Weise, die jeden Gedanken an Mütterlichkeit im Keim erstickt. Susanne Søgaard hingegen macht die fleißige Marie zur Liebenswürdigkeit in Person.

Angesichts der Tatsache, dass sich Regisseur Pierre Schäfer in seiner Erzählweise an die klassische Vorlage der Grimms hält, sind überraschende Wendungen nicht zu befürchten, freuen allerdings kann man sich wie so oft im Puppentheater auf die mit viel Liebe zum Detail gestalteten Minibühnen, mit denen die Akteure übergangslos vom Brunnen zur Blumenwiese, von der Wohnhütte ins Reich Frau Holles, vom Apfelbaum, zum Backofen wechseln.

Wenn Marie nach ihrem Brunnensturz Freundschaft mit dem Eichhörnchen Meister Fips schließt und sich beide anschicken, in Frau Holles Garten die Ernte einzufahren, lacht nicht nur das Herz der minderjährigen Theaterbesucher.

Einen Wermutstropfen aber hat das Weihnachtsmärchen dennoch: Schon vor der Premiere am kommenden Sonnabend sind für alle Aufführungen nur noch Restkarten zu haben. Die Puppenspieler suchen aber intensiv nach Terminen für zusätzliche Vorstellungen …