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Von Heinz Kurtzbach Panzerkettentango

25.11.2010, 04:14

Es gibt Dinge … Aber wieso wundert man sich noch? Man weiß ja spätestens seit die erste Schneeflocke über die Börde wirbelte, dass es wieder vor der Tür steht: Das Christkind oder der Weihnachtsmann. Oder beide. Auf jeden Fall: Weihnachten. Und wie man gleichfalls weiß, will das Fest der Liebe, der Freude und des Friedens gut vorbereitet sein. Was schenkt man den Lieben? Die Lieben haben eigentlich schon alles. Geschmacklose Schlipse, unnütze Ballerspiele für den PC, Parfum für jede Lebenslage, Kochbücher, Handy.

"Wer, zum Teufel", fragte Herbert an der Theke im Sportlereck, "hat eigentlich mit dieser Schenkerei angefangen?" "Die Heiligen Drei Könige, du Banause", erwiderte Horst lapidar. Wirklich – die Heiligen Drei Könige. "Da siehste", sagte Herbert, "dass auch Heilige zum Unfug fähig sind." Die Theke hatte ihr Thema. Was schenkt man? Die Diskussion drehte sich im Kreis, bis einer grinsend sagte: "Ich hab mein Geschenk für den Filius schon."

Der Mann genoss seine Ausnahmestellung und verriet schließlich, dass er seinem Sohn einen lang gehegten Wunsch erfüllt: Er legt einen Gutschein für eine Stunde Panzer fahren unter den Weihnachtsbaum. Panzer fahren zum Fest des Friedens. Das klingt nach Toyota: Nichts ist unmöglich. Panzer fahren gerade so zum Spaß ist also auch nicht unmöglich, seit nach der Wende der eine oder andere NVA-Panzer nutzlos geworden war. Pfiffige Kerlchen, die diese Dinger zuvor gar nicht nur zum Spaß durch die Gegend gefahren hatten, waren auf die glorreiche Idee gekommen jene Exemplare, die die Türkei zum Einsatz gegen die Kurden nicht gebrauchen konnte, stundenweise an Freizeitrambos zu vermieten. Das Wilde im Manne will schließlich bedient werden – die elektrische Eisenbahn ist out und ein getuntes Auto hat man schon.

Aber ein Panzer in echt – 600 PS, sperrig, mit Ecken und Kanten, Ketten und brüllendem Motor: Hurra, wir kommen! Auf zum Panzerkettentango! "Aber vor Polen kehrste um", betitelte eine große deutsche Zeitung eine Reportage über das fröhliche Rumkutschieren in der Kriegsmaschine durch brandenburgischen Sand. Wie beruhigend. Aber – es ist alles ganz harmlos. Jawoll! Und wenn man den Beiträgen im Internet glauben mag, findet alle Welt das nur "geil, geil, geil".

"Dann gehts los – ersten Gang rein und losgebrummt. Um es kurz zu machen – es ist hammergeil: Die Kraft, die Vibration, der Lärm, der Geruch … da kommt das Kind im Manne durch." Und an anderer Stelle: "Kurzum, wer mal den Ur-Mann rauslassen will, ist hier bestens bedient." Den Ur-Mann also, so, so. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, so derselbe einem nicht im Halse stecken bleibt. Man erinnert sich an Zeiten, da einem die Mutter was hinter die Ohren geben wollte, weil man zum lieblichen Fest eine Cowboyausrüstung mit Spielzeugrevolver haben wollte und die alten Zinnsoldaten von Opa plötzlich verschwunden waren.

Andere Zeiten, die Nachkriegszeiten, in denen Panzer "T 34" hießen und man sie nicht für "hammergeil" hielt, sondern für tödlich. Tempi passati! Aber die Begeisterung im Netz lässt keinen Raum für deutungsschwere Erinnerungen: "Denn mitfahren im Panzer", schreibt einer, "wenn sich die 65 Tonnen Stahl mit 50 km/h bewegen, ist das ein tolles Erlebnis. Ist natürlich nichts für Baumfreunde bei einem Verbrauch von 600 bis 700 Litern." Nee, das ist nichts für Baumfreunde wie mich. Baumfreunde wie ich haben es schwer. Sie wissen immer noch nicht: Was schenk ich meinen Lieben?