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Jazz in der Kammer Improvisation wird zur stimmigen Einheit

22.12.2010, 04:23

Von Liane Bornholdt

Magdeburg. Derweil noch vielerorts Weihnachtsgaben gesucht und gekauft wurden, konnten die Besucher von Jazz in der Kammer am Montag bereits ein exklusives Weihnachtsgeschenk in Empfang nehmen. Unter dem wenig spektakulären Namen "Stefan Heidtmann Project" präsentierten sich zum Jahresabschluss fünf Musiker im Foyer des Magdeburger Schauspielhauses, die alle absolute Stars des Jazz sind. Der Pianist Stefan Heidtmann hat die All-Star-Band mit Gerd Dudek, Tenorsaxofon, Reiner Winterschladen, Trompete, Dieter Manderscheid, Kontrabass, und Klaus Kugel, Schlagzeug und Percussions, um sich geschart. Er hat auch die Titel komponiert.

Alle fünf Musiker sind ausgeprägte Individualisten und haben, jeder auf seine Weise, den zeitgenössischen Jazz maßgeblich mitgeprägt. Dennoch passen sie scheinbar ideal zueinander. Sie verstehen sich so genau, dass ihnen gelingt, bei aller Experimentierfreude und bei aller Vielgestaltigkeit der modernen Jazzszenen dennoch eine Seltenheit ist, intelligente und tiefgründige Kompositionen mit freier und individualistischer Improvisation zur stimmigen Einheit zu verbinden. Stefan Heidtmann holt sich in seinen Kompositionen Anregungen aus vielen Quellen, in den jüngsten seiner Titel zum Beispiel aus Musik des östlichen Mittelmeers, etwa durch den punktierten, sehr aufregenden 9/8-Takt Rembetiko aus der griechischen Tradition. Aber im strengen Formenaufbau greift er auch auf die europäische Klassik bzw. die Barockmusik zurück. Man findet klassische Sonatenhauptsätze, man findet aus dem Französischen geliehene Suitensätze und klassische Variationen-Finali mit reichlich Raum für Improvisationen.

Die Musik entwickelt sich in diesen Improvisationen und der Strenge der auskomponierten Formen zu wunderbar vielgestaltigen und eben doch immer gefügten, abgestimmten Werken, die ebenso sehr zeitgenössischer Jazz wie zeitgenössische Kammermusik sind. Man vergisst beim Hören, sich nach den Genres zu fragen, weil alles Gehörte fesselt und mitreißt, etwa, wenn dieser Ausnahmepianist ein Tremolo aus dunklen Trillern spielt und mit dem Trompeter in einen Dialog im Diskant eintritt, der schließlich vom Kontrabass entschieden werden wird. Über Dudeks Saxofon kann man nichts mehr sagen, nur zuhören und immer wieder staunen, etwa wenn er mit den Registern spielt, als bliese er zwei-, dreistimmig. Oder wenn die Bläser im Unisono Liedmelodien spielen, die unmittelbar ans Herz greifen, bevor die Trompete sie auflöst mit Klängen, die scharf wie Messer klingen und im nächsten Moment Piano bläst, silbrig wie Geigentöne.

Dazu taucht Kugel die Musik mit seinem großen Percussionsinstrumentarium mal in sanfte Meeresfarben, mal in schwarze Bässe, mal in bunte folkloristische Farben mit Glöckchenspiel oder auch in klassisches Jazzfeuerwerk, ohne, dass die Soli jemals zur Eigenpräsentation außerhalb der musikalischen Stückzusammenhänge geraten.

Nach dieser Musik sind alle Weihnachtslieder bereits gesungen. Dankeschön!