1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. "Kulturelle Betriebsstrukturen sind schnell zerschlagen"

Dirk Löschner, Intendant des Theaters der Altmark, zum Beitrag "Netter Preis auf Staatskosten" "Kulturelle Betriebsstrukturen sind schnell zerschlagen"

17.11.2011, 04:21

Zum Beitrag "Netter Preis auf Staatskosten" vom 15. November hat die Redaktion von Dirk Löschner, Intendant des Theaters der Altmark Stendal, die nachfolgende Stellungnahme erreicht.

Da sind sie wieder: all die Argumente, warum Kulturförderung eigentlich überflüssig ist, elitär und allemal ineffizient. Zahlen gehören auch dazu, natürlich. Welche mit mäßigem Sachverstand ausgemachte Tendenz ließe sich nicht mit der passend arrangierten Statistik belegen? Und natürlich finden sich Akteure, die bereit sind, nach dem Sankt-Florians-Prinzip die ersten Brandfackeln zu werfen: Hauptsache, es trifft andere. Nach einer Information, was denn eigentlich Ziel der Kulturförderung ist, sucht der Leser vergebens.

Kein Bundesland - außer dem inzwischen beinahe theaterfreien Brandenburg - hat in den vergangenen 20 Jahren bereits so viele produzierende Theater verloren wie das Land Sachsen-Anhalt. Man denke nur an Wittenberg, Zeitz oder die geschlossenen Sparten in Eisleben und Stendal.

Allein in Bernburg ist es gelungen, ein wirklich leistungsfähiges Bespieltheater an die Stelle eines produzierenden Theaterbetriebes treten zu lassen. In Wittenberg müht sich ein Verein ohne nennenswerte öffentliche Unterstützung darum, der Kultur mit aktuellen Themen neben all der millionenschweren Lutherverehrung noch einen Restplatz zu behaupten. In Zeitz, wie in vielen anderen Bespieltheatern im Lande, gibt es inzwischen mangels Sensorium der politisch Verantwortlichen für das geistige Klima in ihren Kommunen nur noch Kleinkunst. Ästhetische Bildung? Auseinandersetzung im öffentlichen Raum über gesellschaftlich relevante Themen? Fehlanzeige! Ärgerliche Versäumnisse in der Landes- wie in der kommunalen Kulturpolitik in den vergangenen Jahrzehnten gibt es genug.

Umso mehr ist es zu begrüßen, dass es dennoch bislang gelungen ist, ein für jeden Bürger dieses Landes erreichbares Theaterangebot zu erhalten. Viele Kommunen legen Wert darauf, dass bei ihnen gesellschaftliches Leben außerhalb von Einkaufszentren und Autohäusern stattfindet und sie tun eine Menge dafür. Alle Versuche, seitens der kommunalen Träger, seitens des Kultusministers oder des gerade einberufenen Kulturkonvents, die verbliebenen Strukturen zu erhalten oder, angesichts der Finanz- und Bevölkerungsentwicklung, mit einem Maximum an Substanzerhalt, künstlerischer Leistungsfähigkeit und Innovationskraft an notwendige Veränderungen heranzugehen, verdienen Achtung, Zustimmung, Unterstützung und die notwendige Zeit.

Kulturelle Betriebsstrukturen sind schnell zerschlagen und mit ihnen ein enormes Potenzial zur Bereicherung unseres geistigen und emotionalen Lebens mit Einfluss durchaus auch auf die Alltagskultur. Sie in kleinere, dadurch kostengünstigere Strukturen zu überführen, ist etwas, das seit 20 Jahren in diesem Land praktiziert wird und keineswegs, wie der Artikel suggeriert, jetzt erstmals in Angriff genommen wird.

Ein solcher Prozess ist immer schmerzhaft und muss daher mit umso mehr Sachverstand und unter Einbeziehung der beteiligten Kommunen und Institutionen geführt werden. Scharfmacher-Parolen und ein verengter Blickwinkel auf einzelne, willkürlich ausgewählte Kennzahlen spielen nur denen in die Hände, für die Kultur im öffentlichen Raum ohnehin eine verzichtbare Ablenkung vom Konsumentendasein des Bürgers darstellt.