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Forum Gestaltung zeigt Ausstellung über drei Generationen Roßdeutscher Kunst- und Lebensgeschichte einer Bildhauerfamilie

Von Liane Bornholdt 02.06.2010, 05:17

1923 kam der Steinmetz und Bildhauer Max Roßdeutscher nach Magdeburg, eine Stadt, die damals eine Hochburg des neuen Bauens war und für jeden Baukünstler anziehend. Sohn Eberhard, 1921 geboren, wurde ebenfalls Bildhauer. Die Tradition wurde in dritter Generation von Wolfgang Roßdeutscher fortgeführt. Das Wirken der drei Bildhauer in Magdeburg dokumentiert jetzt eine Ausstellung im Magdeburger Forum Gestaltung noch bis 2. Juli.

Magdeburg. Wer durch Magdeburg geht, wird ganz gewiss einem, mehreren, ja vielen Roßdeutscher-Werken begegnen. Die Bildhauer und Steinmetze Max, Eberhard und Wolfgang Roßdeutscher prägen mit ihren Werken das Gesicht der Stadt Magdeburg auf ihre besondere, oft spannende auch widersprüchliche Weise. Mit der Ausstellung, die bis zum 2. Juli im Forum Gestaltung in der Brandenburger Straße in Magdeburg zu sehen ist, wird mit den künstlerischen Arbeiten von Max, Eberhard und Wolfgang Roßdeutscher auch Kunst- und Lebensgeschichte gezeigt.

Beispielhaft ist dies am Dom zu erkennen. Max Roßdeutscher war zwischen 1926 und 1928 Leiter der Bildhauerabteilung der Dombauhütte und so maßgeblich an der damaligen Restaurierung der Westfassade beteiligt. Die Ausstellung zeigt wunderbare großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien, auf denen Max Roßdeutscher im Maßwerk der Fassade scheinbar schwerelos umhersteigt. Das Titelbild der Ausstellung zeigt ihn, vor dem Zifferblatt der Domuhr, fast wie ein Spieler in der (Stein)-Zeit. Gipsabgüsse der Apostelköpfe aus der Restaurierungswerkstatt berühren und beeindrucken. Sie sind lebendig und sehr menschlich.

Gestaltete Räume in Magdeburg

Gleich neben dem Dom findet sich heute das von Wolfgang Roßdeutscher, dem Enkel, 1998 geschaffene Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma.

Auch er nimmt in einigen seiner Werke die christliche Symbolik auf, etwa in der Dreiergruppe von Bronzeidolen, in denen er Kreuzformen variiert.

Eberhard Roßdeutscher, der bis zu seinem Tode 1980 in Magdeburg wirkte, hat ein vielfältiges Werk im öffentlichen Raum der Stadt hinterlassen, dessen Formensprache und Ausdruckskraft immer wieder neu zu entdecken sind. So entstanden etwa 1965 zehn Bronzetafeln für das Denkmal der Magdeburger Widerstandskämpfer in der Steubenallee, die ganze Lebensläufe erzählen, am Elbufer bezwingt der Fährmann den Fluss und es zeigt sich eine Bildhauerkunst, die Räume gestaltet. Gleich am Kloster Unser Lieben Frauen steht die Figurengruppe Telemann und die vier Temperamente, eine ganz andere Gestaltungsart, eine fröhliche und poetische Variation über die Kunst des Barock, die einst die Stadt Magdeburg prägte. Dies war seine letzte Arbeit für Magdeburg, und er hat die Errichtung des Denkmals nicht mehr erlebt.

Wie bildmächtig seine plastische Kunst sein konnte, zeigen auch einige kleine Keramikstatuen in der Ausstellung sowie ein bronzenes Selbstporträt.

Die Veränderungen der Kunstauffassungen und die Spannungen in der Familientradition, die geschichtlichen Bilder, die mit diesen Arbeiten hervortreten, machen diese Ausstellung zu etwas ganz Besonderem, denn man befindet sich im Kreise der Bildwerke ganz unmittelbar in der Geschichte Magdeburgs über fast ein ganzes Jahrhundert hinweg.

Seit 1975 wird die von Max Roßdeutscher 1930 errichtete Steinmetz- und Steinbildhauerei-Werkstatt in der Großen Diesdorfer Straße von Enkel Detlef Roßdeutscher geleitet, Wolfgang hat auf dem Gelände ein eigenes Atelier. Der Ort ist, wie man deutlich sehen kann, ein Kristallisationspunkt der Bildhauerkunst über Generationen, die sich erlaubt, Perspektiven in vielerlei Richtungen zu öffnen und bis heute, bis in die jüngsten Werke Wolfgang Roßdeutschers, spannend geblieben ist.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr, zu den Abendveranstaltungen und nach Vereinbarung unter (0391) 8 86 41 97.