Cellisten und Hornisten wehren sich gegen Kultur-Sparpläne Künstler-Protest im Laufschuh
"Ohne Kultur läuft nichts" - unter diesem Motto haben sich am Dienstag
Künstler zu Fuß, auf dem Fahrrad und im Boot auf den Weg nach Magdeburg
gemacht. Dort warnten sie: Kulturkürzungen machen das Land ärmer.
Magdeburg l Andreas Teichmann schwitzt, als er mit seinem Fahrrad vor dem Landtag vorfährt, er hat ein rotes T-Shirt an und auch sein Gesicht ist gerötet. 30 Kilometer ist der 54-Jährige geradelt, auf dem Rücken den imposanten Kasten seines Cellos. Mit dem sportiven Einsatz will der Kulturmensch zeigen: Ihm und seinen Kollegen von der Staatskapelle Halle ist es ernst. "An der Kultur zu kürzen bringt wenig Ersparnis, es macht aber viel kaputt."
Knapp drei Millionen Euro soll das Theater Halle im kommenden Jahr weniger bekommen. Das Kultusministerium will künftig genau so viel überweisen wie für Magdeburg, das ebenfalls ein Vollsparten-Theater betreibt. Heftig getroffen wäre auch das Anhaltische Theater Dessau, das künftig lediglich als Musiktheater mit zusätzlichen Gast-Inszenierungen die beiden großen Häuser ergänzen soll - so schwebt es Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) vor.
Das berücksichtigt allerdings nicht, dass in Halle bereits ein städtisches und ein Landesorchester fusioniert wurden, klagt der radelnde Cellist Teichmann. "Man muss doch erstmal abwarten, bis die Fusion abgeschlossen ist", sagt er. Kurz nach ihm treffen die übrigen Läufer und Radfahrer ein, die zumindest einen Teil der 92 Kilometer langen Strecke von Halle nach Magdeburg zurückgelegt haben. Die längste Strecke schaffte der Fagottist Fabian Borggrefe, vor kurzem auf Platz 38 beim Berlin-Marathon erfolgreich. Eine Gruppe aus Dessau kam gar im Paddelboot die Elbe herauf.
Rund 150 Zuschauer begrüßen die Ankommenden im Zieleinlauf, während Magdeburger und Hallenser Musiker den maritimen Marsch "Gruß an Kiel" spielen. Ein Läufer trägt einen Staffelstab, der später an Kultus-Staatssekretär Jan Hofmann übergeben wird. "Er soll ein Symbol sein für einen Neustart im Dialog mit der Politik", sagt Matthias Brenner vom Neuen Theater in Halle. Noch ist der Haushalt für 2014 nicht beschlossen, noch haben die Künstler Hoffnung, dass sie die Kürzungen verhindern können.
Dabei geht es ihnen nicht um ihre eigenen Arbeitsplätze, versichert Axel Köhler, Intendant der halleschen Oper. "Es geht auch nicht darum, dass abends der Vorhang hochgeht und dass im Museum Bilder hängen. Es geht um Empathie, Solidarität, Toleranz - diese Werte, die die Kulturschaffenden in die Gesellschaft tragen, dürfen nicht untergehen."
Unterstützung bekommen die Theater-Leute von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Ihr Vertreter Hans-Dieter Klein schlägt Klassenkampf-Töne an. Hinter den Kürzungsplänen steckten "Betrüger, die zu feige sind, sich mit den Reichen anzulegen", schimpft er.
Der Schrumpfungskurs bedrohe das geistige Niveau im Land, kritisiert auch der Landtagsabgeordnete Stefan Gebhardt (Linke).