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Bauhaus-Museum Lernen an Zeichentischen

Das neue Bauhaus-Museum Dessau setzt auf das Experimentierfeld Schule. Auch die DDR hat pikanterweise ihren Anteil am Museum.

Von Grit Warnat 09.09.2019, 01:01

Dessau l Dass das Museum überhaupt angedacht werden konnte, liegt pikanterweise an der DDR. Jener Staat, der das Bauhaus lange Zeit als kapitalistisch ansah und ignorierte, hatte es Mitte der 1970er Jahre dann doch als Wissenschaftlich-Kulturelles Zentrum wiedereröffnet. Als Wolf Biermann 1976 ausgebürgert wurde, gab es den ersten Ankauf für eine Sammlung. Die Summe: 145.030,00 Mark.

Die Rechnung ist jetzt ausgestellt, zudem alle Exponate, die auf diesem Papier mit Schreibmaschine aufgelistet sind. Stühle nach Entwürfen von Mies van der Rohe und Marcel Breuer sind zu sehen, hergestellt von den Gebrüdern Thonet, und Schlafzimmer-Schränke von Alfred Schäfter. Der Startschuss der Sammlung säumt ebenso wie die Ansiedlung der umstrittenen Institution in Dessau mit all den Diskussionen in den 1920er Jahren („Das sind nicht Wohnhäuser, sondern Ställe“) den Zentralraum der Ausstellung.

Dort geht es um das Experimentierfeld Schule, um den Alltag des Lernens und der Lehre zwischen freiem Entwurf und industriellem Prototyp, künstlerischem Experiment und wirtschaftlichem Druck, Ausbildungsstätte und Emanzipationsraum. Dorothée Brill, eine der drei Kuratoren: „Es ging uns nicht um die Ergebnisse, sondern um den Weg dorthin.“ Das Bauhaus als ein Ort der Überschreitung.

Das Innere der sogenannten Black Box, das 2400 Tonnen schwere Herzstück des Museumsneubaus, wirkt wie ein großes Atelier. Brill spricht von einer Situation ähnlich der eines Zeichensaales, eines Klassenraumes. Es gibt etliche Ausziehschränke. Auf Zeichentischen werden Lehrer und ihre Schüler in Beziehung zueinander gesetzt. Neun solcher Weggefährten gibt es, die für verschiedene Werkstätten stehen – Oskar Schlemmer und Xanti Schawinsky oder Joost Schmidt und Franz Ehrlich. Für Marianne Brandt war László Moholy-Nagy mit seinen Lichtexperimenten wichtiger Impulsgeber. Grete Reichardt ließ sich für ihre gewebten Texturen von Wassily Kandinsky inspirieren. Von Kandinsky gibt es nicht viel in der Sammlung. Die Anhaltische Gemäldegalerie stellt eine Grafik als Leihgabe zur Verfügung – eine der wenigen in dieser Ausstellung.

Sie ist nicht chronologisch aufgebaut, setzt vielmehr auf Themen – von der Siedlungsplanung über die Möbelproduktion und Kücheninnovationen bis hin zum Haushaltsgegenstand. Das Interieur ins Licht gesetzt hat Szenograf Detlef Weitz. Er umspielt den schwarzen Raum zudem mit der Farbe Orange, um Fabrik und Indus­trie zu assoziieren.

1000 Exponate sind ausgestellt. Laut Sammlungschef und Kurator Wolfgang Thöner war das bisher immer nur im Ausland möglich. Die Dessauer Sammlung war in Tokio, New York, Paris. Jetzt ist sie zu Hause zu sehen. Immer wieder auch mit temporären Zwischenspielen, um weitere Fenster in die Sammlung zu öffnen.