„Linkspartei delegitimiert Israel als Staat“
Jazzmusiker Andrej Hermlin kritisiert die Parteitagsbeschlüsse von Chemnitz.

BERLIN. - Jazzmusiker Andrej Hermlin (59) kritisiert die aus seiner Sicht antisemitischen Beschlüsse des jüngsten Parteitages der Linken in Chemnitz. „Für mich ist der dort gefasste Antisemitismus-Beschluss eine Zäsur ... Israelhass ist an diesem Wochenende von einer Mehrheit der Delegierten des Parteitags legitimiert worden. Judenfeindschaft ist damit – allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz – zu einem organischen Bestandteil dieser Partei geworden“, sagte er dem „Tagesspiegel“ im Interview. Er hätte nicht gedacht, dass es nach dem Beschluss des Parteivorstands vom Oktober 2023, der ihn damals nach 33 Jahren bewog, die Partei zu verlassen, „noch schlimmer werden könnte“.
Am Sonnabend hatte sich eine knappe Mehrheit der Delegierten beim Linken-Parteitag in Chemnitz hinter die sogenannte Jerusalemer Erklärung von 2021 gestellt. Sie wurde von Wissenschaftlern entworfen als Alternative zur sogenannten IHRA-Definition von Antisemitismus, die der Zentralrat und auch die Bundesregierung unterstützen. Anders als diese erwähnt die Jerusalemer Erklärung Israel nicht explizit, sondern definiert Antisemitismus so: „Antisemitismus ist Diskriminierung, Vorurteil, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen und Juden (oder jüdische Einrichtungen als jüdische).“
„Kritik an Israels Regierung oder seiner Kriegsführung ist legitim, aber hier passiert etwas ganz anderes: Israel wird als Staat delegitimiert“, sagte Hermlin weiter. Er fühle sich nicht nur durch die AfD bedroht, „sondern ebenso von arabischen Schreihälsen auf der Sonnenallee oder von Studenten, die Bluthände an die Wände unserer Universitäten schmieren“.
Der Sohn des deutsch-jüdischen Schriftstellers Stephan Hermlin (1915-1997) wird deutlich: „Viele junge Leute sind zuletzt in die Partei eingetreten, die sich für links halten, aber mit Israelhass groß geworden sind.“ Ihnen fehle oft historisches Wissen.
Bereits im Jahr 2023 hatte Hermlin vor dem wachsenden Antisemitismus gewarnt. „Manchmal laufe ich durch mein Haus, schaue mir die Bilder an der Wand an und frage mich, wie lange noch“, sagte er zur „Berliner Zeitung“.
Hermlin lebt in seinem Vaterhaus in Berlin-Niederschönhausen. Dort wurde am 17. November 1976 die Protesterklärung prominenter DDR-Künstler gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns verfasst. (mit dpa)