Mauritshuis zeigt Verso's von Vik Muniz
Millionen sind im Bann des geheimnisvollen Lächelns der Mona Lisa. Doch was steckt dahinter? Der brasilianische Künstler Vik Muniz lüftet das Geheimnis.
Den Haag (dpa) – Das Bild lehnt nachlässig an der Wand, umgedreht. Der Rahmen ist grob gezimmert, durchbohrt von Holzwürmern und Schrauben, die Leinwand dunkel, hier und da ist etwas gekritzelt. Ein rotes Dreieck ist deutlich zu erkennen. Die Anatomiestunde des Dr. Tulp (1632) steht auf einem kleinen, kaum lesbaren Aufkleber.
Ein verblüffter Ausruf, und dann kommt fast unvermeidlich der Griff zum Bild. Nur einmal umdrehen und die Vorderseite sehen. Doch da sieht man nur eine rohe Sperrholzplatte und eine Signatur: Vik Muniz.
Das Mauritshuis in Den Haag, berühmt für seine Vermeer-Sammlung, zeigt ab Donnerstag bis zum 4. September erstmals in seiner Geschichte zeitgenössische Kunst. Die Verso' des bekannten brasilianischen Künstlers Vik Muniz - die Rückseiten der Meisterwerke.
Muniz fotografierte die Gemälde von hinten und machte davon eine exakte Kopie. Von vorne ist ein Gemälde fertig, sobald der Maler den Firnis aufgetragen hat, sagt Muniz. Doch hinten zeigt es eine andere Geschichte. Die Rückseiten erzählen von all denen, die seit hunderten von Jahren diese Kunst zeigen und für die Nachwelt bewahren. Die Eigentümer, die Konservatoren, Restauratoren, Museen. Das rote Dreieck auf dem Rembrandt etwa ist das Zeichen, dass dieses Bild bei einer Katastrophe zuerst in Sicherheit gebracht werden muss.
Bei einem Bild ist eine kleine alte Platte umgeben von einem dicken Holzrahmen. Dazwischen Drähte, Klebestreifen und Stäbe aus Holz und Metall - dick verschraubt. Rechts und links Stahlplatten mit großen Löchern. Es ist die Rückseite der Mona Lisa (um 1503). Das berühmte Gemälde von Leonardo Da Vinci wird mit den Stahlplatten an der Wand im Louvre befestigt. Sensoren messen die Luftfeuchtigkeit.
Die Sternennacht (1889) von Vincent Van Gogh etwa ähnelt mit den vielen Aufklebern von Museen eher einem Eilpostbrief nach einer langen Reise. 472.41 steht groß und rot auf der Rückseite - wie eine Postleitzahl.
Das Mädchen mit dem Perlenohrring ist dagegen wie ein kostbares; aber verletzliches Kleinod dicht verschraubt in einem weiteren groben Rahmen, und der wiederum in einer noch größeren Konstruktion. Manche Bilder, so sagt Muniz, sehen von hinten aus wie mittelalterliche Maschinen.
Der Brasilianer arbeitet gerne mit bereits bestehender Kunst. So machte er Bilder nach berühmten Fotos - allerdings mit Schokolade oder Hausmüll. Seit 15 Jahren schafft er Verso's. Sie sollen die Betrachter nicht in die Irre führen, sagt er. Aber verwirren - und zu einem anderen Schauen verleiten.
Für den Rembrandt etwa kaufte er einen Baum in den USA, um das richtige Holz zu bekommen. Die Tinte auf den Etiketten lässt er mischen, die Leinwand weben. Jedes Loch eines Holzwurmes, jede Spalte, jedes Fädchen wird täuschend echt kopiert. Ich arbeite wie ein Fälscher, nur muss ich dafür nie ins Gefängnis, lacht er.
Für die Ausstellung im Mauritshuis hat er fünf neue Verso's geschaffen nach Meisterwerken des Museums. Darunter Das Mädchen mit dem Perlenohrring (1665) und Ansicht von Delft (1660-1661) von Vermeer sowie Der Distelfink (1654) von Carel Fabricius.
Und wen die Spannung nach der Vorderseite zu sehr quält, der muss nur eine Treppe höher steigen. Dort hängen Originale - und garantiert nach vorne.