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Mein Ein, Mein Alles: Die Macht der Gefühle

Sie ist unkontrollierbar und unvernünftig: Die Amour fou hat viele Filmemacher beschäftigt. In Mein Ein, Mein Alles macht sich nun die französische Erfolgsregisseurin Maïwenn an die rauschhafte Liebe.

Von Sabine Glaubitz, dpa 19.03.2016, 13:29

Paris (dpa) - Die Schmerzen sind unerträglich. Nicht nur die, die Tony bei ihren Dehnübungen in der Rehaklinik quälen. Die Rechtsanwältin muss nach einem Kniesehnenriss, den sie sich bei einem Skiunfall zugezogen hat, wieder mühselig das Laufen lernen.

Und das tut mindestens so weh, wie die Erinnerungen an ihre desaströse Beziehung. Während ihrer mehrwöchigen Genesung lässt sie ihr Leben mit Georgio Revue passieren.

Mein Ein, Mein Alles der französischen Regisseurin Maïwenn handelt von der Amour fou, einer Liebe, die berauscht, unvernünftig und unkontrollierbar ist. Als eine Liebesbeziehung, die aufgrund ihrer Intensität als unnormal empfunden wird und wegen der Gegensätzlichkeit der Verliebten als aussichtslos gilt.

Die Amour fou hat schon viele Filmemacher fasziniert. Nun hat Maïwenn sie in ihrem Drama, das 2015 in Cannes Weltpremiere feierte, mit ihrer für sie typischen narrativen Kraft umgesetzt: radikal, explosionsartig, streckenweise aber auch zu überzogen.

Tony ist eine angesehene Rechtsanwältin um die Vierzig, Georgio ein gut aussehender Draufgänger, der dickes Geld als Restaurantbesitzer macht. Ihre Geschichte beginnt in einem Pariser Nachtclub. Tony ist von Georgio fasziniert, den die Frauen umschwärmen. Zwischen beiden funkt es lichterloh. Man liebt sich in der Küche von Georgios Restaurant, macht den Tag zur Nacht, sieht die Welt durch die rosarote Brille und lacht über alles und nichts.

Die Bürgerliche liebt einen Bad Boy und Rebellen. Gegensätze ziehen sich an. Doch längerfristig ist eine solche Beziehung zum Scheitern verurteilt, erklärte Maïwenn. In ihrem Film hat die Amour fou zehn Jahre gedauert - mit allen Ingredienzen: einer Hochzeit, einem Kind, das man auf den Namen Sinbad tauft, Weinkrämpfen und hysterischen Anfällen.

Georgios verrücktes Leben, seine Drogenpartys und seine selbstmordgefährdete Ex-Freundin, um die er sich weiter kümmert, stürzen Tony in immer tiefere Depressionen. Was sie einst an ihm liebte und faszinierte, macht sie nun krank.

Bei der Besetzung bewies Maïwenn, die 2011 für Poliezei in Cannes den Preis der Jury erhielt, eine glückliche Hand. Vincent Cassel (Black Swan, Kind 44) spielt hervorragend den notorischen Verführer. Und Emmanuelle Bercot (Zwischen den Wellen) als verzweifelte, zwischen Hass und Leidenschaft hin und hergerissene Tony, erhielt für ihre schauspielerische Leistung die Cannes-Auszeichnung als beste Schauspielerin.

Der Film sei ein Geschenk gewesen, sagte Cassel in Cannes. Erstens, weil Maïwenn eine talentierte Regisseurin sei, und zweitens, weil sie ihn eine extrem erotische Rolle spielen ließ. Auch wenn manche Szenen überspitzt wirken und ihre Figuren stellenweise zu klischeehaft sind, hat die 39-jährige Maïwenn mit Mein Ein, Mein Alles (im Original: Mon Roi) ein kraftvolles Drama um die Macht der Gefühle gezeichnet. 

Service:

Mein Ein, Mein Alles, Frankreich 2015, 130 Min., FSK ab 12, von Maïwenn, mit Vincent Cassel, Emmanuelle Bercot, Louis Garrel

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