Meinhard von Gerkan - Spurensuche in Riga
Seine Entwürfe prägen die zeitgenössische Architektur: Meinhard von Gerkan ist einer der erfolgreichsten deutschen Architekten und weltweit tätig. Besonders nahe steht ihm aber seine lettische Heimat.

Riga (dpa) - Ein paar Schwarz-Weiß-Aufnahmen vom Sommeridyll am Ostseestrand und ein paar Familienfotos, der Geburts- und Taufschein und mehrere alte Briefe - es sind nur wenige Erinnerungsstücke, die Meinhard von Gerkan aus seinen jüngsten Kindheitstagen geblieben sind.
Dennoch fühlt sich der 1935 geborene Stararchitekt seiner Heimatstadt Riga eng verbunden, die er als Vierjähriger verlassen musste. Regelmäßig reist er in die lettische Ostseemetropole - zur Spurensuche und natürlich auch für Bauprojekte.
Es scheint eine innere Verbindung zu geben, die sehr prägend für ihn gewesen ist, meint von Gerkan-Biograf Jürgen Tietz. Wenn immer der inzwischen 81-Jährige in Riga sei oder über die lettische Hauptstadt rede, fliege ihn ein Stück Heimat an. Ebenso spreche er immer mit einer besonderen Herzenswärme und Zuneigung über seine Projekte in Lettland.
Eigene Erinnerungen an die Kindheit in Riga hat von Gerkan kaum. Er selbst spricht von vielen vielleicht unterbewusst verdeckten Bildern seiner ganz frühen Jugend, die bei seinen Besuchen in Lettland erweckt werden. Besondere gelte das am Strand von Jurmala, sagte der Architekt der Deutschen Presse-Agentur. Im Ostseebad vor den Toren Rigas hatte die Familie ihr Sommerhaus. Doch 1939 wurde sie wie viele andere Deutschbalten umgesiedelt und musste Lettland in Richtung Posen verlassen. Die weiteren Kindes- und Jugendjahre von Gerkans waren geprägt von Flucht, dem Verlust beider Elternteile und vielen Schul- und Ortswechseln.
Genau 30 Jahre, nachdem von Gerkan mit seinem Studienkollegen Volkwin Marg 1965 das Architekturbüro gmp (Hamburg) gegründet hatte, erhielt er eine Anfrage des lettischen Unternehmers Leons Jakrins, der ihn für ein Projekt in Riga gewinnen wollte. Dass der Architekt in Riga geboren wurde, wusste dieser nicht.
Von Gerkan sagte sofort zu. Es wäre für mich ein 'Traum', schrieb er zurück. Die sich zu einer Freundschaft entwickelnde Zusammenarbeit läuft bis heute. Sie wurde für von Gerkan zu einer Art emotionaler Rückkehr, meint Jakrins. ?
Bereits 1988 war von Gerkan zum ersten Mal wieder nach Riga zurückgekehrt. Vergeblich versuchte er bei Taxifahrten aus Kindheitserinnerungen die Orte der frühen Kindheit wiederzuerkennen. Auch in Archiven forschte er erfolglos nach seinem Elternhaus.
Erst viele Jahre später konnten Bekannte die Adresse ausfindig machen. Befremdlich, erzählt von Gerkan, sei es gewesen, als er 2014 erstmals wieder davorstand. Auch wenn der Architekt Riga als Kind verließ, ist ihm der baltendeutsche Akzent noch immer anzuhören. Bei Besuchen in Riga verweist er stets darauf, dass er in der Petrikirche getauft wurde. Bei der Eröffnung einer Ausstellung wurden ihm dort Ende 2015 historische Passkopien seiner Mutter überreicht.
Auch die Ostsee und Natur von Jurmala prägten von Gerkan. Sichtbar wird das insbesondere bei seinen Arbeiten in Lettland, etwa der markant-kubistischen Villa Guna in einem Kieferwald am Ostseestrand. Mit viel Herzblut realisierte der Schöpfer weltbekannter Bauten wie etwa des Berliner Hauptbahnhofs auch seine anderen Bauprojekte in Lettland, etwa Luxus-Wohnhäuser oder ein Bankgebäude am Ufer der Daugava.
Lettland könne stolz auf die international anerkannten Bauten von Gerkans sein, meint der Architekturkritiker Janis Krastins. Über die Entwürfe gebe es zwar unterschiedliche Ansichten. Zweifellos seien sie aber ein Beitrag zum gesamten Architekturwesen Lettlands.

