1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Mit polterndem Humor zum Grab

"Zwei nette kleine Damen ..." am Nordharzer Städtebundtheater Mit polterndem Humor zum Grab

04.10.2010, 04:17

Von Hans Walter

Quedlinburg. Fast wäre es eine deutsche Erstaufführung am Nordharzer Städtebundtheater geworden – die Komödie "Zwei nette kleine Damen auf dem Weg nach Norden" des französischen Erfolgsautors und Generalsekretärs der Comédie Francaise Pierre Notte (41), vorgestellt beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens.

Die Schauspieldramaturgin Sylvia Sarnow hatte das schwarzhumorige Stück schon vor fast zwei Jahren ausgesucht, aber das Badische Staatstheater Karlsruhe brachte es im Januar 2010 heraus. Am Freitag erlebte es nun in der Neuen Bühne Quedlinburg die zweite Inszenierung in Deutschland. Auch nicht schlecht.

Die "Zwei netten Damen ..." sind ein Schmäckerchen für die zwei Schauspielerinnen Illi Oehlmann (Annette) und Julia Siebenschuh (Bernadette).

An und für sich ist es ein unverwüstliches Zwei-Personenstück plus einiger kleiner Episodenrollen: Die 82-jährige Mutter von Annette, der älteren, mondänen Tochter, und der jüngeren, molligen Bernadette ist tot und wird eingeäschert. Die ungleichen Schwestern wollen dem längst verstorbenen Vater vom Tod der Mutter berichten und starten von Paris aus gen Amiens.

Irgendwo auf einem Friedhof liegt dort ihr Erzeuger begraben, sie wissen nur nicht genau, wo das ist. Irgendwo wuchsen Pappeln, und das Meer war nicht weit. In einer herzförmigen roten Keksdose reist die eingeäscherte Mutter samt ihrer zerschmolzenen Brosche mit.

In Amiens ist kein Taxi in Sicht. Annette und Bernadette nehmen den Bus. Das heißt, sie kapern ihn. Die Ältere steuert das schwere Gefährt – und crasht dabei sowohl die Rückspiegel wie 27 Autos auf der Strecke. Ein abenteuerliches Unterfangen von geradezu irrwitziger Komik. Zum Schluss ihrer Odyssee zu dutzenden Friedhöfen müssen sie pinkeln und verziehen sich hinter einen Grabstein. Es ist ausgerechnet der ihres so lange gesuchten Vaters Reymond. "Alles in Butter, wir machen uns vom Kutter", trällern die beiden.

Ihre Reise hat vor allem eins gebracht – die gedankliche Annäherung an die Verstorbenen, aber am meisten das Zusammenrücken und die neu zugelassene Nähe der beiden so ungleichen, ewig streitenden und grantelnden Schwestern. Das ist mimisch und gestisch ein Kabinettstückchen von Siebenschuh und Oehlmann.

Auch die Ausstatterin Friederike Baer steuerte in Kostüm und Frisur einiges bei, den beiden Damen die Alterswürde von zwei Mädchen reiferen Alters zu geben, die selbst auf das Sterben zugehen. Sie sind nun niemandes Töchter mehr ...

Regisseur Ulrich Schwarz als Gast vom Dresdener "Spielbrett e.V." brachte nicht diese Fallhöhe mit ein, dass es letztlich um das eigene Leben und den Tod geht – dargestellt mit den Mitteln der Komödie. Wenn Annette auf einer Wäscheschleuder sitzt und sie rumpelnd als Bus startet, denkt man "Schöne Idee. Hoffentlich machen sie‘s noch einmal!" Der Wunsch wird erfüllt, aber spätestens bei der dritten Schleudertour ist man genervt: "Fällt denen überhaupt nichts mehr ein?"

Dito bei den Geräuschen, wenn der Bus mit den Autos 20 bis 27 zusammenstößt. Dafür fällt jedes Mal ein Becken scheppernd zu Boden – man hat‘s satt. Gibt es denn keine anderen Instrumente dafür? Wenn die Schwestern am Ende hinter dem Grabstein pinkeln gehen, muss natürlich jemand zweimal Wasser aus einem Topf in einen anderen lassen – es wird nichts an Peinlichkeit ausgelassen.

Das zweite Problem ist die Musik von Martin Orth am Klavier. Für einen Chansonabend wäre sie genau passend komponiert, zumal die Schwestern sehr passabel zweistimmig singen können. Aber für die Komödie leistet sie in ihrem gleichgestimmten melancholischen Duktus wenig. Bei der Aufführung in Wien schuf dazu Akkordeonmusik das französische Flair; in Karlsruhe kontrapunktierten deutsche Evergreens und Schlager die gewitzten Dialoge.

So blieb es bei schlappen drei Minuten Premierenbeifall. Verdammt wenig, zumal ein Großteil der Zuschauer vorher an einer Führung über historische Gottesäcker teilgenommen hatte und auf das Thema eingestimmt war.