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Pet Shop Boys Auch die Jungs werden alt

Die Pet Shop Boys spielen in Leipzig auf der „Dreamworld-Tour“ ihre großen Hits

09.06.2022, 13:13
Sänger Neil Tennant und Keyboarder Chris Lowe sind die Pet Shop Boys, hier auf ihrer „Dreamworld Tour“ am 14. Mai in Mailand. IMAGO/NurPhoto
Sänger Neil Tennant und Keyboarder Chris Lowe sind die Pet Shop Boys, hier auf ihrer „Dreamworld Tour“ am 14. Mai in Mailand. IMAGO/NurPhoto Foto: Imago

Uwe Kreißig (Leipzig) - Die Leipziger Arena ist am Dienstagabend bis auf Restplätze ausverkauft, doch die erste halbe Stunde schleppt sich das Konzert des berühmtesten britischen Pop-Duos mühsam dahin. Und das liegt nicht nur an der Soundanlage und den LED-Wänden, die für diese Hallengröße unterdimensioniert sind.

Auch die Pet Shop Boys, die sonst immer stilsicher und selbstironisch auf das unvermeidliche Älterwerden mit frischen Sounds und manchmal auch mit opulenten Bühnenbildern reagierten, wirken müde und gealtert. Neil Tennant, berühmt für seine schöne, helle wie volle Stimme, trifft einige Höhen nicht mehr. Das Bühnenbild ist eine Sparvariante, auf Tänzerinnen und Tänzer hat man gleich ganz verzichtet. Der große Bühnenraum wirkt halbleer. Und die Live-Interaktion klappt nicht.

Im Publikum sieht man viele abgekämpfte Gesichter, Menschen, die am nächsten Tag wieder auf Arbeit gehen und den Laden am Laufen halten. Sie genießen die Lieder ihrer Jugend, Hits, die fast ausnahmslos gut gealtert sind.

Im zweiten Drittel kommt dann Bewegung in den Saal. Für ihre „Dreamworld Greatest Hits Tour“ können die Pet Shop Boys aus einem riesigen Fundus schöpfen. Als sich dann alles eingeschwungen hat, wird es noch richtig schön.

Wie entstand der Song-Titel „Domino Dancing“?

Von neueren Sachen lassen die Stars die Finger. Ausnahme ist „Monkey Business“ vom jüngsten, dem 14. Album der „Jungs“. Zwei, drei Geschichten gibt Tennant zwischendurch zum Besten, darunter die Namensgebung des Achtziger-Hits „Domino Dancing“. Seinerzeit wären Chris und er zum Urlaub in der Karibik gewesen. Man spielte Domino, während um den Tisch herum getanzt wurde. Also „Domino Dancing“.

Die schönste Geschichte um das Duo, das seit langem offen schwul lebt, erzählt er nicht, denn sie passt nicht als Zwischentext in einem Konzert. In den Achtzigern, als die Pet Shop Boys ihre unvergleichliche Karriere beginnen, sind sie bei einem Londoner Radiosender zum Interview. Während der Sendung steht Chris wortlos auf und verschwindet. Erst am Abend taucht er wieder auf. „Seitdem waren sie nie wieder getrennt“, lautet eine Anekdote über die „Boys“.

Die Reise mit den opulenten Produktionen der Elektronic-Hitfabrik geht jetzt energisch in den dritten Teil des Abends. Das Duo, inzwischen von einer kleinen Background-Band unterstützt, macht Betrieb. Jetzt wird gelacht und getanzt, und mit den Songs der Pet Shop Boys ziehen die jungen Jahre wie mit einem Hologramm an einem vorüber.

„Always on my mind“, das vielleicht beste Elvis-Cover, „In private“ oder auch „Losing my mind“, mit dem Liza Minelli noch einmal einen Welterfolg hatte, und natürlich „West End Girls“ bringen die Hitmaschine schließlich noch in die hohen Drehzahlen.

Ein Grund für ihren Erfolg war sicher – neben dem überragenden Songmaterial – ihre Normalität. Ihre gelegentlich flamboyanten wie exzentrischen Bühnenauftritte sind Show. Den Skandalspalten sind die Pet Shop Boys dagegen ferngeblieben. „Ich wollte immer ein langweiliges Vorstadtleben“, sagte Lowe in einem Interview im „Pet Shop Boys Catalogue“. Die Antwort seines Lebensmenschen Neil Tennant: „Ich wusste ganz sicher, dass du das sagst.“

Ihr Sound, der meistens von einem melancholischem Schimmer getragen wird, macht euphorisch und traurig zugleich. Als die Pet Shop Boys nach zwei Stunden abtreten, wird einem nach dem schönen, unbeschwerten Abend das eigene Altern bewusst.

Und ganz plötzlich versteht man die Sentenz von Schauspieler Martin Held („Rosen für den Staatsanwalt“): „Jeder will alt werden, aber keiner will es sein.“