Sido bleibt bei Erwachsenenmusik
Nach Ausflügen auf die Leinwand legt Rapper Sido sein sechstes Soloalbum auf. Darauf gibt es wenige musikalische Überraschungen - nur ein Song sticht klar hervor aus dem Werk des Berliners.
Berlin (dpa) - Viel Zeit hat er dafür nicht gebraucht: Nach weniger als zwei Jahren legt der am Bart leicht ergraute Rapper Sido ein neues Album nach.
Darauf geht es vor allem um ihn selbst - wo er herkommt, wo er irgendwie nicht hingehört, und warum er lieber noch nicht sterben möchte. Auch sozialkritische Töne schlägt der 34-Jährige an, sonderlich originell ist er dabei jedoch nicht.
Dabei gab er die Richtung für die nächste Platte schon vor zwei Jahren vor: Ich hoffe, dass ich mit 35 noch ein Album machen kann, das nicht mehr das rebellische Ich-haue-auf-den-Putz-Album ist, sondern ein Album, das etwas bewegt, sagte Sido damals im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt, nachdem das neue Album mit dem Titel VI fertig ist, sagt er: Dieses Album ist sehr erwachsen, das sind Themen, mit denen erwachsene Menschen sich befassen können.
Deswegen rappt der Millionär von Superreichen, die trotz Privatjet und Kaviar unzufrieden sind, oder erzählt die Geschichte des heroinsüchtigen Kevin, der in die Beschaffungskriminalität rutscht.
In Zu wahr reiht Sido Dinge aneinander, die ihn zum Ausrasten bringen: die Situation der Flüchtlinge, Ausbeutung, Fanatismus, Umweltverschmutzung, Hunger, Menschenhandel - das sind nur ein paar der Themen, die er kurz anreißt. Am Ende raunt Sido dann ins Mikrofon: Ich hoffe nur, dass der Song dich ein bisschen zum Nachdenken bringt. Ich weiß, es ist nicht immer einfach, ein guter Mensch zu sein, aber es kommt auf den Versuch an. Lass es uns versuchen. Sätze, die direkt aus einem Poesie-Album stammen könnten.
Meist dreht es sich bei Sido jedoch um ihn selbst. Er erzählt, dass er noch nicht bereit ist für den Sensenmann, berichtet von seiner Vergangenheit auf der Straße, die dazu führt, dass er heute nicht wirklich dazugehört, und rechnet mit aufdringlichen Autogramm- und Selfie-Jägern ab. Ich habe kein Problem damit, meinen Fans ein Foto oder ein Autogramm zu geben oder mich mit denen zu unterhalten. Wenn es aber respektlos wird, wenn ich mit meiner Mutter beim Essen sitze, muss jeder doch so viel Anstand haben und sagen: "Nee, da kannst du jetzt nicht hingehen.", sagt er im Interview.
Für das positive Highlight des Albums hat sich Sido Andreas Bourani (Auf uns, Nur in meinem Kopf) mit ins Boot geholt. Die Zusammenarbeit kam über die Bewunderung zustande, die der Rapper dem Soul-Sänger entgegenbringt. Bourani ist seiner Meinung nach der derzeit beste Sänger in Deutschland: Krasse Stimme, krasser Ausdruck, krasser Soul - da stimmt einfach jeder Ton.
Zum Inhalt des runden Popsongs Astronaut wurde Sido vom deutschen Raumfahrer Alexander Gerst und dessen Bildern aus der Raumstation ISS inspiriert, gestand der Rapper vor kurzem auf Twitter. Der Song bescherte Sido seine erste Nummer 1-Platzierung in den Singlecharts. Gerade wurde das Video dazu veröffentlicht, das mit Bildern der Gewalt, der Armut und der Zerstörung vollgepckt wurde.
Seine Ausflüge auf die Leinwand (Blutzbrüdaz, Halbe Brüder) sollen eher die Ausnahme bleiben. Musik ist das, was ich am besten kann. Warum sollte der beste Schuster der Welt auf einmal Tischler werden? Die Schauspielerei sei eine schöne Nebenbei-Sache, die ihn künstlerisch fordere. Bei der Schauspielerei kann ich etwas lernen, und da treffe ich immer wieder Leute, von denen ich gerne lernen möchte, sagt er. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich so gut werde, dass ich das, was ich wirklich gut kann, dafür aufgebe.
Insgesamt liefert Sido mit VI ein Standard-Album ohne große Überraschungen ab. Wer sich eine Fortführung seines vergangenen Erwachsenen-Albums 30-11-80 wünschte, darf dem sechsten Studioalbum des Berliner Rappers aber gerne eine Chance geben.
Am 1. November startet Sido in der Frankfurter Jahrhunderhalle seine große Liebe-Tour, die ihren Abschluss am 7. Dezember in Berlin findet.