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Sommertheater Operettensängerin sucht Mitbewohner

Das Theater an der Angel in Magdeburg wird zur "Villa Klopstock" in einer grotesken und humorvollen Inszenierung.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 23.06.2019, 23:01

Magdeburg l Villa Klopstock prangt in großen Lettern über dem Eingang der Villa am Theater an der Angel und verwirrt durchaus den einen oder anderen Besucher. Friedrich Gottlieb Klopstock, der große deutsche Dichter, stammt zwar aus Sachsen-Anhalt und lebte hier auch, aber in dieser Villa?

So liegt es denn nahe, dass die Liebe im Sommertheater in einer aus der Zeit gefallenen Geschichte eine Hauptrolle spielt - und was für eine. Alma Sed ist eine Operettensängerin, der nicht nur die Villa Klopstock gehört, sondern die per Annonce auch ein Zimmer vermietet. Ines Lacroix hat in dieser Rolle alle Möglichkeiten, ihr komödiantisches Können auszuspielen. Und das macht sie auch, ob als Playback-Sopranistin oder hoffnungslos Verliebte. Drei Mieter hat sie bereits, natürlich drei Künstler, und nun soll Frank Reich, der gehemmte Leiter einer Sparkassenstiftung, der vierte im Bunde werden. Matthias Engel ist der leicht trottlige Zahlenmensch und ihm ist die Rolle wie auf den Leib geschrieben, wenn er nicht nur allmählich seine künstlerische Ader entdeckt, sondern schließlich sogar im Degen-Kampf mit dem gerissenen Verführer Peter Krause alias Joachim Villegas ungeahnte Kräfte zeigt.

Die drei Künstler, die in der Villa Klopstock eine Bleibe gefunden haben, sind die eigentliche Entdeckung in diesem Sommertheater. Sie bringen ein unglaubliches Tempo in das Stück, begeistern mit akrobatischen Kunststückchen und sind einfach umwerfend komisch. Lena Schmoock, Jan Schneider und Joachim Villegas kennen sich aus der Schauspielschule Charlottenburg in Berlin. Der Zuschauer spürt sofort: Hier sind nicht nur Künstler, die für ein Sommerstück engagiert sind, sondern sie leben den Geist des Theaters an der Angel und lassen eine übermütige Lebendigkeit entstehen, die die Zuschauer einfach von den Sitzen reißt. Dem kann man sich nicht entziehen, und für die Angler ist das wie ein Jungbrunnen, in dem sie zur Höchstform auflaufen.

Ein so köstlich unterhaltendes, komödiantisch-artistisch, künstlerisch wertvolles und vor allem humorvolles Programm hat man schon seit einiger Zeit vermisst. Das ist ein Sommertheater, bei dem man zutiefst bedauert, dass es nach gut einer und einer Viertelstunde schon zu Ende ist. Da möchte man weiterlachen, sich über die aktuellen Seitenhiebe amüsieren und beim theatergerechten Degenkampf, bei dem alle irgendwie auf der Strecke bleiben, ohne wirklich zu sterben, einfach mitmachen.

Dieses Stück „Sommer in der Villa oder Wo die Liebe hinfällt“ ist genau das, was man sich für eine laue Sommernacht wünscht: große Theaterkunst mit viel Groteskem, ohne auch nur einmal albern zu sein, voller Humor und einer enormen schauspielerischen Leistung. Keine einfache Aufgabe für die Regisseurin Therese Thomaschke. Sie ist mit den Arbeitsbedingungen im Theater an der Angel bestens vertraut, hat hier selbst schon mitgespielt. Aber diese explosive Spielfreude so zu bändigen, dass für die rund 100 Mietanwärter für das Zimmer in der Villa Klopstock, die dachten, sie seien nur Zuschauer, ein unterhaltsamer Theater-Hochgenuss entsteht, ist vermutlich auch für sie mehr als nur eine Herausforderung gewesen.

Wer dieses Sommertheater verpasst, dem ist ein schauspielerisches Glanzstück entgangen. Deshalb sollte man sich von dem „Ausverkauft“ nicht abschrecken lassen. Meist gibt es doch noch eine Chance, eine oder zwei Karten zu ergattern.