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"Fremde Welt ganz nah" beleuchtet Rezeptionen der Ausgrabungsfunde am Fuße des Vesuvs Pompeji und Entdeckungen im Gartenreich

Von Helmut Rohm 24.04.2012, 03:17

Zu einer Ausstellung und einer Grand Tour zu Erinnerungsorten, verborgenen Schätzen und einem Vulkan lädt die Kulturstiftung DessauWörlitz ein. "Fremde Welt ganz nah" ist ein Korrespondenzprojekt zur Hallenser Landesausstellung "Pompeij - Nola - Heraculaneum. Katastrophen am Vesuv".

Wörlitz/Halle l "Richtig sinnvoll wird es jetzt erst mit dem Gartenreich", findet Landesarchäologe Harald Meller. Mehr als 110000 Besucher habe die am 9. Dezember eröffnete, auf ungebrochenes Interesse stoßende Landesausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte bisher gehabt, "und jetzt beginnt erst die Reisesaison". Umso mehr freut sich Meller, dass die Schau bis zum 26. August verlängert werden konnte.

Genauso lange lädt auch die Kulturstiftung DessauWörlitz zu "Fremde Welt ganz nah - Pompeij und Heraculanuem im Gartenreich Dessau-Wörlitz" ein. Zu einer Ausstellung, aber auch "zu einer Entdeckungsreise im Gartenreich", so Thomas Weiss. Der Direktor der Kulturstiftung hebt dabei die Notwendigkeiten solcher Kooperationen wie der mit Halle hervor, nicht zuletzt, "damit sich für immer mehr Gäste auch Mehrtagesaufenthalte in Sachsen-Anhalt lohnen".

Widme sich die Hallenser Ausstellung dem Leben und den Katastrophen am Vesuv mit dem Vulkanausbruch im Jahr 79, "zeigen wir die Wiederauferstehung, die Wiederentdeckung im 18. Jahrhundert und die Rezeption der in Pompeij und Heraculaneum ausgegrabenen Objekte", sagt Ingo Pfeifer, Kurator der Wörlitzer Schau.

Gartenreichschöpfer Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) besuchte auf seiner Grand Tour mit seiner Reisegesellschaft im Jahr 1766 die Ausgrabungsstätten am Vesuv. Zahlreiche Anregungen nahm er mit, darunter die antiken Wand- und Deckenmalereien. Viele Bezüge zu den antiken Städten finden sich in den später im Gartenreich von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff errichteten Schlössern und anderen Bauwerken. Zahlreiche Motive und Dekorationsmuster wurden nachgestaltet. Das Gartenreich gilt als die früheste Rezeption der Ausgrabungsfunde auf dem europäischen Kontinent.

"Für uns war klar, dass wir eigentlich das gesamte Schloss zur Ausstellung erklären müssten."

Kurator Ingo Pfeifer

Bedeutendster Ausdruck ist die Felseninsel Stein in den Wörlitzer Anlagen, unter anderem mit einem dem Vesuv nachgebildeten Vulkan. Vor einigen Jahren wieder hergestellt, wird er im Rahmenprogramm des jetzigen Projektes im August wieder ausbrechen.

Auch mit speziell entwickelter Entdeckerkarte oder einer App können die Besucher des Gartenreiches sich "auf die Erkundung anderer bekannter oder nicht bekannter Elemente mit Bezügen zu den italienischen Entdeckungen begeben oder von Erinnerungsorten, die verschwunden sind", lädt der Stiftungsdirektor ein.

"Für uns war von Anfang an klar, dass wir eigentlich das gesamte Schloss zur Ausstellung erklären müssten", so Kurator Pfeifer. Viele der Objekte seien in der ständigen Ausstattung des Hauses integriert. Viele Wandmalereien in den Zimmern gingen auf Dinge zurück, die in Pompeij und Heraculaneum gefunden wurden.

Gezeigt werden sonst nicht ausgestellte Exponate aus dem Bestand der Kulturstiftung sowie Leihgaben aus privater und öffentlicher Hand, darunter auch aus Italien. "Wir wollen dem Besucher das Erlebnis nahe bringen, wie man im 18. Jahrhundert nach Neapel gereist ist, wie man Neapel gesehen hat, wie man die Ausgrabungsstätten erlebte oder welche wissenschaftliche Literatur zur damaligen Zeit zur Verfügung stand", erläutert Ingo Pfeifer. Nachvollzogen wird unter anderem auch, welche Souvenirs die Grand Touristen damals mitgenommen haben. Zu sehen ist in der Ausstellung zum Beispiel eine Erwerbung, die die Kulturstiftung im vergangenen Jahr machen konnte. Ein Band mit mehreren Schriften des Archäologen Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), darunter jene über Heraculaneum. Nachweislich ist es das Buch, das der Fürst in seiner Bibliothek hatte. "Wir können also auf diese Art und Weise auch dokumentieren, wie intensiv sich Fürst Franz mit diesen Dingen beschäftigt hat", betont Pfeifer.

Alle Reisenden im 18. Jahrhundert haben das Grab von Vergil in Neapel besucht. Der Fürst nimmt einen Stein mit, beschriftet ihn und legt ihn in die Schlossbibliothek - die sonst auch für die Besucher nicht zu sehen ist. Wie andere "Souvenirs" mit Bezug zu Neapel oder Pompeji - ein kleiner Bronzeanhänger, ein Mosaiksteinchen ...

Besondere Entdeckungen verspricht zudem der Ausstellungsteil zu Lady Hamilton. Sie hat der Fürst nie persönlich kennengelernt. Ihren Mann schon. Nach dieser Begegnung ist die gerade fertig restaurierte Villa Hamilton auf der Insel Stein entstanden.

Gegenstände und Kunstwerke, die hier wie in anderen Häusern auf die Antikenrezeption verweisen, wurden bewusst an den originalen Orten belassen und nicht in die Ausstellung integriert. Sie wird gezeigt in vier Räumen des Schlosses, von denen zwei - die Suite des Prinzen Albert (1750-1811), des jüngsten Bruders des Fürsten - restauriert wurden. Wiederhergestellt wurden die originalen apricotfarbenen Raumfassungen und es wurden die großformatigen Wandbilder restauriert, die Ansichten der wichtigsten Besichtigungsstätten in Neapel und seiner Umgebung im 18. Jahrhundert wiedergeben.