Piano-Magier Promi-Geburtstag vom 22. Dezember 2016: Lubomyr Melnyk
Er gilt als schnellster Pianist der Welt, doch lange Zeit wollte niemand die Musik von Lubomyr Melnyk hören. Aufgegeben aber hat der Tasten-Magier nie.
Berlin (dpa) - Er ist einer der großen Außenseiter der Musikgeschichte: Lubomyr Melnyk lebte viele Jahre in der Misere und kämpfte jahrzehntelang um Anerkennung - die ihm schließlich im reifen Alter doch noch zuteil wurde.
Geschwindigkeit ist keine Hexerei! Oder doch? Bei dem Pianisten Melnyk klingt es, als sei da eine Menge Magie mit im Spiel. Der Mann schafft 19,5 Einzelnoten pro Sekunde und gilt damit als schnellster Pianist der Welt.
Aber eine brillante Klaviertechnik allein garantiert keine Schönheit - die aber zaubert der in München geborene Sohn ukrainischer Eltern, der in Kanada aufwuchs, mit seinem ununterbrochenen Klangstrom, in den man eintauchen und sich davontragen lassen kann, scheinbar mühelos hervor. Technik verbindet sich hier mit Romantik zu einer komplexen und tranceartigen Einheit. Beim Spielen würde er eins mit seinem Piano werden, beschreibt Melnyk diesen Zustand des Entrücktseins. Heute feiert der Piano-Magier seinen 68. Geburtstag.
"Continuous Music" nennt der Ukrainer seine einzigartigen und melodiösen Klangschöpfungen der ineinanderfließenden Töne, die immer wieder Bilder der Natur beschwören und sehr viel mit Transzendenz zu tun haben. "Wenn ich spiele, dann werde ich zu einem fliegenden Adler, einem schwimmenden Delfin, einem laufenden Schimpansen", sagte der Musiker, der etwas von einem Hippie-Bohemian oder alttestamentarischen Propheten hat, dem "Guardian".
"Illirion" (2016) heißt Lubomyr Melnyks aktuelles Album, das ihn wieder ein Stückchen weiter aus dem Schatten ins Licht brachte. Seit einigen Jahren erst erfährt der Ausnahmekünstler, bei dem Chopin, Minimal Music und Ambient einen Widerhall finden, eine gewisse Anerkennung.
Die klassische Welt, in der sich Melnyk verwurzelt sieht, hat ihn über all die Jahrzehnte konsequent ignoriert. Anerkennung erfuhr er von ganz anderer Seite: Das Avantgarde-Label Erased Tapes nahm den Pianisten für das Album "Corollaries" (2013) unter Vertrag und bescherte ihm damit ein neues Publikum aus dem Indie-Bereich. Einen "Schmelztiegel für innovative und einfallsreiche Musiker" hat Label-Gründer Robert Raths Erased Tapes genannt.
Da passte Melnyk, der inzwischen bei Sony Music Classical gelandet ist, genau hin. Hier fand er eine Heimat in der "Nische" der Neo-Klassik (Nils Frahm, Federico Albanese, Ólafur Arnalds), bei der die Grenzen zwischen E- und U-Musik konsequent verwischt und aufgelöst werden.
Da lagen lange Jahre der Misere hinter ihm: Als Melnyk in den 70er Jahren in Paris landete, war er ein armer Poet ohne Bühne und Publikum. "Ich hungerte. Ich hatte nichts zu essen", erinnerte sich Melnyk im "Guardian"-Interview.
Der Musiker hat lange um Anerkennung ringen müssen, jetzt aber habe er endlich das Gefühl, dass seine Existenz nicht bedeutungslos sei, sagte Melnyk dem "Guardian" - "und das meine Musik nicht bedeutungslos ist".
Ein ganz großer Auftritt ist für das nächste Jahr schon gebucht: Am 1. Oktober wird Lubomyr Melnyk in der Hamburger Elbphilharmonie spielen.