Sonderausstellung über die Inbesitznahme der Stiftskirche durch den Nationalsozialismus Quedlinburg dokumentiert die "Kathedrale des Reiches"
Quedlinburg (epd) l In der UNESCO-Welterbestadt Quedlinburg ist gestern eine Ausstellung über den Missbrauch der Stiftskirche durch die Nationalsozialisten eröffnet worden. Anhand von Originaldokumenten würden Willkür und der Weg des vergeblichen Widerstandes dagegen nachgezeichnet, erklärte die gemeinsame Verwaltung der Domschätze Halberstadt und Quedlinburg. Anlass der Präsentation, die mit einem Gedenkgottesdienst eröffnet wurde, ist die Übernahme der Stiftskirche durch die SS und die Vertreibung der evangelischen Gemeinde vor 75 Jahren.
Vor mehr als 1000 Jahren als "Kathedrale des Reichs" erbaut, hätten hier einst Kaiser und Könige an Gottesdiensten teilgenommen und prachtvoll Hof gehalten, hieß es. Auf der Geschichte liege aber als dunkler Schatten, dass die Kirche von 1936 bis 1945 missbraucht und ein Kulttempel brauner Ideologie gewesen sei.
Ostermontag 1938 hatte die Gemeinde in der Stiftskirche ihren letzten Gottesdienst gefeiert, bevor sie durch die SS endgültig vertrieben wurde. Der Missbrauch der Kirche begann jedoch bereits im Juli 1936 mit einer von dem sogenannten Reichsführers der SS, Heinrich Himmler, initiierten Feier zum 1000. Todestag von König Heinrich I. Von der Kirchengemeinde sei der Missbrauch als Entweihung wahrgenommen worden, auch wenn es einen solchen formalen Akt nicht gegeben hatte, hieß es.
Die Sonderausstellung unter dem Motto "Die entweihte Kirche" wird bis zum 30. Juni gezeigt. Sie umfasst Stelen mit Hintergrundtexten und Bildern, zudem sind in Vitrinen zahlreiche Originaldokumente zu sehen. Darunter sind eine Broschüre mit einer Rede Himmlers in der Kirche, das Protokoll der Kirchenschlüssel-Übergabe vom Februar 1938 und Tagebücher von Dompfarrer Rudolf Hein.
Die Krypta in der Kirche ist die Grablege für König Heinrich I. (der Vogler, um 875-936) und seiner Gemahlin Mathilde (um 895-968), jedoch gelten die Gebeine des Königs bis heute als verschollen. Die Stiftskirche auf dem Schlossberg ist das Wahrzeichen von Quedlinburg.