1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Rumänische Hirten und finnische Häftlinge

53. Dokumentarfilmfest Leipzig Rumänische Hirten und finnische Häftlinge

19.10.2010, 04:14

Von Sophia-Caroline Kosel

Leipzig (dpa). Schon zu DDR-Zeiten gab es in Leipzig alljährlich dokumentarische Werke aus aller Welt zu sehen. Gestern begann der 53. Jahrgang des DOK-Filmfestivals. Auf dem Markt haben es Dokumentarfilme aber schwer. Es gibt kein Blitzlichtgewitter mit berühmten Stars auf dem roten Teppich, aber dennoch proppevolle Kinosäle. In den Hauptrollen auf der Leinwand sind keine bekannten Schauspieler zu sehen, sondern rumänische Hirten, deutsche Straßenkinder, finnische Häftlinge oder eine muslimische Punk-Band.

Das gestern gestartete 53. Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, kurz DOK Leipzig, ist nach dem in Amsterdam das größte Dokfilmfestival Europas. An sieben Tagen laufen 346 Filme aus 58 Ländern.

Festivaldirektor Claas Danielsen freut sich auf 130 Filmemacher aus aller Welt, auf etwa 200 Journalisten und 30000 Besucher. "In diesem Jahr ist das Festival sehr politisch", sagt Danielsen.

Beim Blick ins Programmheft sind viele Themen zu finden, die fast täglich in den TV-Nachrichtensendungen vor- kommen. Doch während dort für den Afghanistankrieg, den Gaza-Konflikt oder die Lage im Iran nur wenige Minuten Zeit ist, widmet der Filmemacher Janus Metz in "Armadillo" den dänischen Soldaten in Afghanistan 101 Minuten und lässt Nino Kirtadze 100 Minuten lang die Protagonisten des Ossetien-Konflikts im August 2008 zu Wort kommen.

Mehrere Filme führen den Zuschauer je eineinhalb Stunden lang nach Gaza. "Bei uns gibt es die dokumentarischen Tiefenbohrungen", sagt der Festivalchef. 2813 Filme aus 97 Ländern waren diesmal für das traditionsreiche Festival eingereicht worden – 235 mehr als im Jahr 2009.

DOK Leipzig ist nicht nur ein Treffpunkt für Kinofans, sondern auch ein wichtiger Geschäftstermin für die Filmemacher. Sie verhandeln mit TV- Programmverantwortlichen und Kinovertretern. "Es gibt eine ganze Reihe von Filmen, die hier von Sendern gekauft werden oder später ins Kino kommen", sagt Danielsen.

Jedoch seien die Bedingungen, unter denen dokumentarische Produktionen zu sehen sind, alles andere als optimal. Die Werbung laufe meist über Mund-zu-Mund-Propaganda. "Die Filme werden oft nach der ersten, zweiten Woche wieder aus dem Programm genommen – bevor sie ins Laufen kommen", so der Festivalchef. "Im Fernsehen landen Dokumentarfilme meist auf sehr späten Sendeplätzen. Sie werden teilweise erst nach Mitternacht gezeigt. Dadurch wird ein Großteil der interessierten Öffentlichkeit ausgeschlossen."