Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie Sehr britisches und pathetisches Konzertprogramm
Von Ulrike Löhr
Magdeburg. Der Engländer Michael Lloyd ist inzwischen in Magdeburg kein Unbekannter mehr. Der international gefragte Operndirigent wurde bereits in der vergangenen Spielzeit am Magdeburger Opernhaus als Ballett- und Operettendirigent ("Debütantenball", "Orpheus in der Unterwelt") gefeiert. Gleich zu Beginn dieser Spielzeit präsentierte er sich mit "La Traviata" als Opernspezialist. Im zweiten Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie gab er nun sehr souverän sein Konzertdebüt.
Dazu hatte Michael Lloyd natürlich Werke zwei seiner britischen Landsleute ausgewählt. Bereits das "Scherzoid" des europäisch gefragten Zeitgenossen Mark-Anthony Turnage war sowohl für Ohr und Auge außergewöhnlich. Der riesige Orchesterapparat wurde zudem noch mit einem visuell beeindruckenden Instrument erweitert, das eigens für dieses Stück in den Theaterwerkstätten gebaut wurde: Eine riesige Holzkiste mit überdimensionalem Hammer, welcher die akustische Wirkung nicht verfehlen ließ.
Die Komposition forderte den Musikern der Magdeburgischen Philharmonie einiges ab an Präzision in Rhythmik zwischen Jazz und Klassik, Intonation von Dissonanzen sowie besonderen Spieltechniken (wie Flatterzunge, schrilles Sopransaxophon, Staccati bei Streichern und Bläsern) und vor allem eine enorme voranpreschende Agilität. Dass Turnages Wortspiel des Titels "Scherzoid", bestehend aus der heiter lebendigen Satzform "scherzo" und dem Begriff "schizoid", zu leben begann, dafür sorgte als Fels in der Brandung Dirigent Michael Lloyd.
Ebenso zu einem Fest für Auge und Ohr wurde das folgende Werk des Briten Ralph Vaughan Williams: seine "Serenade to Music" für Orchester und 16 Solisten. Die acht Sängerinnen und acht Sänger des damit fast kompletten Opernensembles boten nicht nur ein imposantes Bild, nein, sie vermochten es – sonst jeder solistisch geprägt –, sich als Ensemble zu finden, ihr Stimmtimbre jeweils ergänzend zu setzen und die Harmonie verkörpernd, die Williams mit der impressionistischen Vertonung des höchst poetischen Gesprächs über Musik aus Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" beabsichtigte. Der Anlass zur Entstehung des Werkes war schließlich 1938 ein Galaereignis in der Londoner Royal Albert Hall zu Ehren des Dirigenten Sir Henry J. Wood. Den damals anwesenden Sergej Rachmaninow rührte dieses Werk zu Tränen. Das Potenzial dazu hatte die Magdeburger Aufführung ebenso: die Solo-Violine des Konzertmeisters, die lieblichen Holzbläser, die Solopassagen der 16 Sänger – und waren sie auch noch so kurz – fanden immer wieder im tutti einfühlsam zusammen. Und Michael Lloyd zelebrierte lang haltend den Schluss. Das war Balsam für die Seele.
Ein beim Publikum nicht umsonst sehr beliebtes Meisterwerk der Orchesterliteratur stand im zweiten Konzertteil für sich: Peter Tschaikowskys 5. Sinfonie e-Moll op.64. Sie hat Schwermut und Glanz, Leichtigkeit und Überschwang, sie erfordert ein Orchester an Virtuosen. Diesem Anspruch wurde die Magdeburgische Philharmonie unter Michael Lloyds klarer strukturierter Tschaikowsky-Sicht gerecht.
Durch alle vier Sätze zieht sich das "Schicksalsmotiv". Gleich zu Beginn servierte es die Soloklarinette mit tiefen Streichern. Die emotionalen Kämpfe suggerierte Michael Lloyd hervorragend. Das Blech blieb wohltuend diskret. Hoffnungsvoll stimmte der zweite Satz mit dem unschuldigen Hornsolo, geschlossen und klar kamen die nun sieben Celli zum Tragen und die 1. Violinen – alles sehr cantabile. Der anschließende Valse war ein Fest der Holzbläser, vor allem für die Klarinetten und Fagotte, quirlige Läufe auch in den Flöten mit piccolo. Das machte Freude zuzuhören.
Dirigent Michael Lloyd gestaltete den Schlusssatz sehr charaktervoll. Das "Schicksalsmotiv" steht hier in E-Dur, das die 1. und 2. Violinen unisono anstimmen. Virtuosität, schwungvolle Rhythmen, dichte Instrumentierung galt es hier in der Finalwirkung, besonders in der triumphalen majestätischen Schlusscoda bei Trompeten und Posaunen, nicht zu übertreiben.
Mit der Balance, die Michael Lloyd und die Magdeburgische Philharmonie fanden, begeisterten sie das Publikum aufs Äußerste.