Gisela Oechelhäuser in der "Feuerwache" Silbereisen? Bestimmt ein neu entdecktes Element
Magdeburg. Gisela Oechelhäuser ist auch nach 38 Bühnenjahren noch immer überzeugte Kabarettistin. "Mir geht es besser, wenn ich über die lachen kann, über die ich mich sonst aufrege", sagt sie, aber in jüngster Zeit würde es ein schwieriges Geschäft: "Meine Feindbilder treten zurück, und ich bin froh, dass wenigstens mein Fahrrad keinen Rücktritt hat." Aber es bestehe keine Sorge, denn man brauche nur eine Zeitung aufzuschlagen oder eine Nachrichtensendung zu sehen, und man fände ausreichend Gegenstände zum Lachen.
Mit ihrem jüngsten Programm "Allgemeine Mobilmachung" (Buch: Philipp Schaller, Regie: Peter Tepper) wolle sie, anders als bei Anne Will, nicht nur ein Betroffenensofa, sondern eine ganze Betroffenenbühne aufstellen, auf welcher die unterschiedlichsten Figuren den Unernst der Lage beklagen dürften.
Die Kabarettistin ließ dann ihre "Gäste" nacheinander erscheinen, zuerst Valentina aus Zwickau. Wunderbar sächselnd nimmt diese ihren Sohn in Schutz, der "ein ganz Lieber" sei und doch was werden könne, da er die Hauptschule geschafft habe. Er ist Nazi und nun in die NPD eingetreten, um dort Karriere zu machen, und deshalb wählt sie jetzt die, denn es soll ja was werden aus dem Jungen. Er habe ja Recht: "Ein Hund braucht Auslauf und ein Inder gehört nicht in eine Stadtwohnung."
Mit dem zweiten Gast fällt die Oechelhäuser ins Berlinische und belehrt ihr Enkelkind durch den Verkauf von "Fornülleküpfl" über die brauchbaren Werte der Zeit. Etwas schärfer wird sie später das Thema "Geldwert" als Millionärsgattin vorführen, die sich darüber beklagt, dass die Vorstandsvorsitzenden als asozial beschimpft würden. Sie sicherten immerhin dauerhafte Arbeitsplätze für Steuerfahnder, und es sei ungerecht, dass sie in Starnberg eingesperrt hinter Mauern und Stacheldraht leben müssten.
Betroffene Nachbarn
Zu ihren "Betroffenen" zählt sie neben Spitzen aus Politik und Wirtschaft auch "einige meiner Nachbarn", und in diese Kategorie gehört die Sparsame, die sich Verkaufsfahrten für Lama- und Magnetdecken zusammenspart und nun völlig überraschend einen richtigen Gewinn erwischt hat. Sie beklagt sich, dass sie nichts kaufen kann: "Woher soll ich wissen, was was wert ist, wenn ich nicht mal weiß, wie viel es kostet?"
Wunderbar und wahrlich virtuos geschauspielert wie sie die verschiedenen Typen charakterisiert. Wenige Accessoires reichen aus, dass sie sich verwandelt, Bewegung und Sprache, Gestus und natürlich was und worüber räsoniert wird, entscheiden. Und es sind nicht nur Charakterstudien. In jedem Fall sind neben dem Hauptplott auch noch zahlreiche feine Hintersinnigkeiten im Redeschwall der Damen enthalten, zum Beispiel in dem der Nachbarin mit der Flat-Rate. Dies war das letzte Geschenk ihres Verblichenen, den sie schon totgeredet hatte. Aber worüber soll sie telefonieren, wenn sie keinen Mann hat?
Flat-Rate-Fernsehen
Sie versucht sich mit Flat-Rate-Saufen zu helfen, aber das nützt nichts, bis sie aufs Flat-Rate-Fernsehen verfällt. Aber hier beschleichen sie vielerlei Fragen, vor allem "Wer oder was ist Silbereisen?" Lebt er überhaupt oder ist er bereits plastiniert? Dann wäre Gunther von Hagen Programmdirektor. Oder ist es ein neu entdecktes Element, so giftig, dass Polonium ein Therapeutikum dagegen ist? Jedenfalls, so die erschreckende Erkenntnis, ist Ötzi, der mit ihm aufzutreten pflegt, nachweislich seit 4000 Jahren tot. Also bleibt als Fazit nur, dass Flat-Rate-Fernsehen auch nur lebensgefährlich sein kann.
Etwas schwächer weil etwas gröber ihre Figur Ursula Starke, die mit einem Auge gerade noch dem Gesundheitswesen entronnen ist, obgleich sie auch hier wunderbar das Elend diverser Hot-Lines durchspielt und nicht ganz unzutreffend den "gefühlten Ärztemangel" beklagt.
Am Ende sieht eine 98-Jährige die einzige Hoffnung für die Jugend, also alle bis 70, darin, wieder einmal einen richtigen Krieg zu erleben, also die allgemeine Mobilmachung. Ihr letzter Gast, letzte Mitarbeiterin im Job-Center, weiß allerdings, dass der Krieg bereits im Gange ist. Sehr bitter und sehr scharf.
Es gibt schließlich nur einen einzigen Ratschlag, den die Kabarettistin dem Publikum mitgibt: "Essen Sie mehr Obst!"