"Der Wichtigtuer" von David Gieselmann hat als deutsche Erstaufführung am Magdeburger Schauspielhaus seine Premiere Temporeiches Verwechslungsstück mit verlorenen Zwischentönen
Magdeburg l Die Premiere von "Der Wichtigtuer" von David Gieselmann im Schauspielhaus Magdeburg wurde schon im Vorfeld mit viel medialer Aufmerksamkeit bedacht. Als Deutsche Erstaufführung mit Spannung erwartet, blieb das Stück dann aber doch hinter den Erwartungen zurück.
Der Inhalt der Komödie ist an Brisanz kaum zu übertreffen. Was ist wichtig in dieser Welt? Und wer ist wichtig? Welche Bedeutung hat Geld? Und welche Funktion? Die Finanzwirtschaft ist immer mehr von der Realwirtschaft abgekoppelt. An den Börsen und Banken werden die eigentlichen Gewinne gemacht. Das ist der Rahmen des Stückes, in dem sich Prof. Dr. Dr. Vielschrei bewegt. Er hat Virtualität so stark verinnerlicht und auf seine Angestellten übertragen, dass seine Firma, ohne etwas herzustellen oder zu vertreiben, an der Börse bestens platziert ist. Dennoch steigen die Kurse unaufhörlich, und der "Manager ohne Zeit" hat alle Hände voll zu tun, die "Blase" aufrecht zu erhalten. Andreas Guglielmetti spielt ihn mit großem körperlichen Einsatz als jemanden, der sehr wohl um die Zwiespältigkeit des eigenen Handelns weiß, sie aber permanent verdrängt. Dieser beinahe tragisch-ambivalente Zwiespalt wird zugunsten übertriebener Komik unter der Regie von Martin Pfaff nicht herausgearbeitet. Der Professor bleibt ein "durchgeknallter" Typ, der für sein Handeln scheinbar keine Verantwortung trägt. Da geht der Bezug zur Täterschaft solchen Managerhandelns völlig verloren.
Das alles steht nicht im Widerspruch zu einer temporeichen Verwechslungskomödie, sofern die Zwischentöne unter sehr viel Aktion, Geschrei, Wort- und Satzverdrehern nicht verloren gehen. Während es bei den klassischen Verwechslungskomödien fast immer um Liebe, Eifersucht, Macht und Geld geht, liegen im "Wichtigtuer" die inhaltlichen Schwerpunkte anders.
Zwar geht es hier ebenfalls um Liebe und eine archaisch anmutende Zweckheirat, um die Firma zu retten. Doch die Figuren, schauspielerisch mit großem Einsatz als Tochter Vielschrei (Luise Audersch) und ihren Liebhaber oder Bräutigam (David Nádvornik) gespielt, bleiben inhaltlich blass, weil sie sich mit Verhaltenweisen aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts in einem Umfeld des 21. Jahrhunderts bewegen. Der Verlust dieser inneren Logik lässt Komik nur noch in Äußerlichkeiten zu.
Und darauf beschränkt sich dann auch der Rest der Handlung, in dem die grandios spielende Iris Albrecht als Haushälterin einen verzwickten Plan schmiedet, der so kompliziert ist, dass er gar nicht funktionieren kann, in dem die Mitarbeiter in der Firma Vielschrei, gespielt von Jeremias Korschorz und dem wie immer ausgesprochen subtil agierenden Peter Wittig, ständig nach nicht vorhandener Arbeit suchen, ohne jemals zuzugeben, keine zu haben. Beide verkörpern Doppelrollen, treten außerdem als IT-Spezialist Madsen sowie dessen Vater auf.
Gieselmann: "Im Prinzip ist die Welt absurd"
Inhaltliche Brisanz flackert dann noch mal mit dem bestechlichen Journalisten Zaffaranski (Konstantin Marsch) sowie die um eine Aufenthaltsgenehmigung ringende und dafür sogar zur ungeliebten Heirat bereite Kasachin Magdalene Hartel auf (wie immer herausragend Heide Kalisch), und schließlich die von Isolde Kühn gespielte Pfarrerin, die wegen des Irrenhauses Vielschrei ihre Aufgabe unerledigt lässt. Jede dieser Figuren wird in dem Stück akzeptiert, ohne auch nur ansatzweise eine Charakterzeichnung vorzunehmen. Asylsuchende Frauen haben eben Pech, wenn sie keinen Mann finden, Journalisten sind nun mal bestechlich und Pfarrerinnen haben immer einen Flachmann unter der Soutane.
Verwechslungsspiele enden meist mit einer Lösung. Das ist beim "Wichtigtuer" nicht der Fall. Das Platzen der großen "Blase" ist die Lösung, die keine ist.
Wer sich einfach amüsieren, von den Problemen dieser Welt einmal nichts wissen will, der ist in dieser Inszenierung richtig und sollte sie sich unbedingt ansehen. Wer wegen des Titels eine gesellschaftskritische Komödie erwartet, was Humor ja nicht ausschließt, den regt das Stück vielleicht zur Diskussion an.
"Im Prinzip ist die Welt absurd" hat David Gieselmann in einem Kurzgespräch vor der Vorstellung geäußert und sinngemäß ergänzt, dass sowohl Politik als auch Wirtschaft immer virtueller, für die Menschen immer weniger greifbar werde, und dass, wenn dieser Matsch an die Realität pralle, nur noch Unverständnis überbleibe. Da hat er Recht.