"Olvenstedt probiert’s" mit Wallenstein Theater mit Vuvuzela und Kampftrinken
Magdeburg. Alle 15 Vorgänger sind grandios gescheitert, vom ersten Versuch mit Dornröschen 1998 über Romeo und Julia und die Nibelungen, die Räuber und Salome … bis zuletzt 2009 Lohengrin. Aber Sebastian Wiese alias Gerald Fiedler ist sich diesmal beim 16. Versuch, mit der Olven- stedter Truppe auf dem Zeltplatz an der Ehle Weltliteratur zu inszenieren, sicher: Es wird der große Durchbruch, der ihm den Weg ins Theater Magdeburg am Universitätsplatz öffnen wird.
Die unermüdlichen Olven- stedter Ferienmimen sind sich auch einig, als sie an Appel’s Kiosk den neuen Morgen zünftig mit "Auerhahn und Kompott" beginnen. Die Rollen, die ihnen zugedacht sind, können mit keinem der Vorgänger konkurrieren, denn sie müssen vor allem eines tun – saufen. Man könne, schwärmt Fränki alias Matias Herrmann, Freizeit und Probe gar nicht unterscheiden. "Die Inszenierung steht und fällt mit eurer Trinkfestigkeit", so der ambitionierte Regisseur, "denn es geht um den Krieg, und Krieg ist Scheiße und sieht auch scheiße aus!"
In Deutschland um 1634, so erläutert er die Situation des Dramas, herrschen bereits 16 Jahre lang "kriegsähnliche Verhältnisse", und es gäbe den Krieg nur, weil da Leute hingehen. Alle sind Heuschrecken, die freiwillig eine Uniform anziehen.
In diesem Sinne proben Achim (Michael Günter), die Brüder Fränki und Torsten (Mathias Herrmann), Benno (Andreas Manz) sowie Kioskbetreiber Appel (Falko Graf), Banane und Bananes Bengel (Jörg Richter und Marvin Abdel-Massih), Tacho (Mike Manhartsberger), Ente (Michael Magel) und Joe-Achim als Gastkind (Jannis Bard). Und natürlich darf das weibliche Element nicht fehlen, Susanne Bard als Beate, die sich nicht nur "die Hoaare machen muss", sondern auch Wallensteins Gattin und dessen Tochter Thekla, sowie Arkebusier und Aufwärterin zu spielen hat und außerdem Ziel von diversen männlichen Schwärmereien ist.
Damit Sebastian Wieses Grundidee von der abschreckenden Wirkung der Krieger realisiert wird, müssen diese saufen, huren und lärmen, und das fällt unter Zuhilfenahme von reichlich Bier und Kümmerlingen sowie der Trompeten in Form von Vuvuzelas nicht schwer.
Dirk Heidecke hat sich selbst übertroffen
Ziel des Planes sind Aufführungen vorm Opernhaus auf dem Universitätsplatz, die solange dauern sollen, bis die Intendantin des Musentempels sich genötigt fühlen wird, die Polizei zu Hilfe zu rufen … Dann, so ist sich Basti Wiese sicher, werde es neuen Skandal geben und aus Karen Stone ein Rolling Stone werden und für ihn der Weg auf deren Stuhl frei.
Es gab noch einige andere Frechheiten an dem Probier- abend, wunderbares Spiel, wie man es kaum bei anderen Olvenstedter Proben je sah. Dirk Heidecke, über dessen tiefgründige Klassikadaptionen schon viel gelacht und nachgesonnen werden konnte, hat sich diesmal noch übertroffen, und Jörg Richter mit Ausstatterin Meyke Schirmer haben mit so viel wunderbaren Details richtig großes Theater inszeniert.
Olvenstedt probiert noch bis Sonntag täglich ab 20 Uhr.