Das literarische Quartett
Die Sendung war Kult, die Verrisse von Marcel Reich-Ranicki sind Legende. Nach fast 14 Jahren Pause wird Das Literarische Quartett jetzt wiederbelebt.
Berlin (dpa) - Was waren das für furiose Bravourstücke im manchmal müden Fernseh-Alltag - wenn Marcel Reich-Ranicki in seinem Literarischen Quartett leicht lispelnd und mit bedrohlich erhobenem Fuchtelfinger durch die Literaturlandschaft pflügte.
Wenn er den vielgepriesenen Roman eines Erfolgsautors genüsslich in Grund und Boden verdammte und seine Mitstreiter so bis auf Blut reizte, dass die Fetzen nur so flogen. Goldene Zeiten, längst vorbei.
Unter dem Motto Wie bei guten Büchern: Es gibt eine Neuauflage wagt das ZDF nun ein Revival seiner Kultsendung. An diesem Freitag (23 Uhr) kommt Das Literarische Quartett erstmals wieder ins Programm. Neuer Gastgeber ist der Spiegel-Literaturchef Volker Weidermann (45), unterstützt von TV-Moderatorin Christine Westermann (66, Zimmer frei) und dem Schriftsteller Maxim Biller (55, Esra). Ein vierter Teilnehmer stößt bei jeder der jährlich sechs Ausgaben neu dazu.
Der Sender wolle wieder ein funkelndes und aufwallendes Gesprächsformat aufsetzen, sagt ZDF-Kulturchef Peter Arens. Und Weidermann, bekennender Reich-Ranicki-Fan, wünscht sich: Dass kein Konsens gesucht wird, sondern dass im Dissens eine Art Wahrheit aufleuchtet und ein Vergnügen. Vor allem: keine Langeweile.
Von 1988 bis 2001 hatte der große Vorgänger sein Feuerwerk der Eitelkeiten gezündet, 77 Ausgaben mit durchschnittlich 600 000 Zuschauern. Am Ende zog er selbst einen Schlussstrich - angeblich, weil er keine Lust mehr hatte auf schlechte Bücher.
Später folgte Das blaue Sofa, auf dem Wolfgang Herles im Gespräch mit den Größen der Weltliteratur durchschnittlich 900 000 Zuschauer anzog. Als er im Mai in Ruhestand ging, entstand die Idee zum Literarischen Quartett II. Das Ende war fast 14 Jahre her, Urvater Reich-Ranicki 2013 gestorben.
Die Neuauflage des legendären Markennamens hat dem ZDF viel Aufmerksamkeit beschert, allerdings sind nicht alle Experten vom Konzept überzeugt. Muppet Show statt Literaturkritik, spottete Helmut Böttiger in der Zeit mit Blick auf die absehbare Aufgabenteilung zwischen einer guten Frau Westermann, einem bösen Herr Biller und einem netten und telegenen Moderator. Und die Süddeutsche Zeitung schrieb, Weidermann sei kein Scharfrichter, sondern ein heiterer Leseverführer.
Die Zuschauer dürfen sich also sicher auf eine neue Tonart einstellen. Bei der ersten und einzigen Probesendung habe die Chemie zwischen den Teilnehmern jedenfalls gut funktioniert, sagt Daniel Fiedler, Leiter der Berliner ZDF-Kulturredaktion. Alle merken aber natürlich auch die Last des Titels, die einfach da ist.
Vierte im Bunde ist in der ersten Sendung die Berliner Juristin und Autorin Juli Zeh (Nullzeit), die durch ihr gesellschaftspolitisches Engagement vor allem gegen die Allmacht des Internets bekannt ist. Die vier debattieren über die aktuellen Werke von Karl Ove Knausgård (Träume) und Ilija Trojanow (Macht und Widerstand), über den ersten Roman des ungarischen Regisseurs Péter Gárdos (Fieber am Morgen) und über das Debüt des nigerianischen Autors Chigozie Obioma (Der dunkle Fluss).
Mit der Einladung der 41-jährigen Schriftstellerin Zeh bricht Weidermann mit einer goldenen Regel seines Vorgängers: Dort hatten ausschließlich berufsmäßige Literaturkritiker Zugang zum erlauchten Kreis. Der neue Gastgeber will die Runde bewusst öffnen. Natürlich soll nicht unbedingt jeder Politiker kommen, der mal ein Buch in die Kamera halten will, aber es müssen nicht nur Kritiker sein, so der 45-Jährige.
Über die gegenseitigen Erwartungen in der Vierer-Runde wollten sich die Beteiligten vor der Aufzeichnung im Berliner Ensemble, dem einstigen Stammhaus von Bertolt Brecht, nicht so genau äußern. Maxim Biller steckte jedenfalls seine Zuständigkeit für lockere Sprüche schon mal ab: Man soll vor dem Sex nie darüber reden, wie der Sex werden soll.