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TV-Tipp Ein Schritt zu viel

Josch liegt in der Blutlache, es ist sein Blut. Er ist zwischen die Fronten geraten: zwischen eine Jurastudentin und einen Banker. Bei beiden fing eigentlich alles mit Liebe an. Doch welch wechselwirksame Beziehung sich daraus entwickelte, zeigt das Erste am Mittwochabend.

Von Marco Krefting, dpa 10.11.2020, 23:01
Bettina Müller
Bettina Müller HR/ARD

Frankfurt/Main (dpa) - Es hätte so schön sein sollen: Er verliebt, sie geliebt. Doch für sie wurde es zu eng. "Ich habe mich immer nach Freiheit gesehnt", sagt Nicole. "Aber wirklich frei war ich nie." Doch wirklich frei hat sie sich auch nie gemacht.

Über einen Escortservice lernt der reiche Banker Friedrich Nicole kennen und ist hin und weg von ihr. Nach der Trennung von seiner Frau und Jahren im Grau bringt sie Farbe in sein Leben - so beschreibt er es der Polizei. Beide, Nicole und Friedrich, müssen sich dort wegen des Todes ihres neuen Freundes Josch verantworten.

Das Erste zeigt in "Ein Schritt zu viel" am Mittwoch (20.15 Uhr) das spannungsgeladene Verhältnis dieses ungleichen Paares, das anfangs gut zu harmonieren scheint. 1500 Euro bietet er der Jura-Studentin monatlich. "Was willst du dafür?" "Nichts. Dich ab und zu sehen."

Doch bei ab und zu bleibt es nicht. Er macht ihr immer mehr Geschenke, nimmt sie mit in den Urlaub und stellt sie seinen Kindern vor, die älter sind als Nicole. Wie sehr Friedrich an der Seite der Geliebten aufblüht, wie sehr sich seine Prioritäten vom Berufs- zum Privatleben verschieben, macht die Aussage seiner Tochter deutlich, als er sich für die Vergangenheit entschuldigen will: "Du konntest gar nichts falsch machen, Papa. Du warst ja nie da."

Doch seine Liebe wird krankhaft. Weil er ihr eine Wohnung vermacht, kann er unangekündigt aufkreuzen. Eines Nachts sitzt er im Wohnzimmer, als sie vom Feiern nach Hause kommt. Als Josch in Nicoles Leben tritt und das ernster wird, treffen sich die beiden mit Friedrich. "Es ist Zeit, ein paar Dinge zu klären", sagt Nicole tough. Doch wirklich von Friedrich trennen kann sie sich nicht.

Immer wieder sucht sie seine Hilfe, immer wieder lehnt sie sich bei ihm an. Als sie schwanger wird von Josch. Selbst als beide bei der Polizei aufeinandertreffen. Da schwanken die Gefühle. Sie lehnt sich an, er nimmt sie in den Arm. Dann schreien beide.

Lilith Häßle, die als Nicole ihr TV-Debüt gibt, und Nicki von Tempelhoff als Friedrich spielen auf Augenhöhe diese emotionale Zerreißprobe. Das gelassene Feiern. Die enge Anziehung, auf die sie sich nicht wirklich einlassen will. Und die ihn dazu verleitet, alles aufzugeben. Im Zweifel bis zum Schluss. Verlieren sei ein Kick, weil man dem Untergang näher komme, sagt Friedrich. "Je näher man dem Untergang ist, desto mehr spürt man, dass man noch lebt."

Katharina Bischof inszeniert die Duelle, die sich die zwei mal leidenschaftlich, mal konfrontativ liefern, in einer Umgebung, die von den Figuren, den Gefühlen, den Worten wenig ablenkt. Ob Wohnungen oder Vernehmungsraum - sie sind schlicht und in Pastelltönen gehalten. Ein matter Schleier liegt über den Rückblenden, die beide an die gemeinsame Zeit erinnern. An das Auf und Ab - statt ab und zu.

Gedreht hat das Team im Hitzesommer 2019 in Frankfurt am Main. Teils in abgedunkelten Räumen, weil die Nächte zu kurz waren. "Ausgerechnet an den wärmsten Tagen haben wir in einem kleinen Apartment gedreht", erzählt Bischof. "Da lernt man sich nochmal neu kennen."

Auch der Zuschauer muss das Geschehen in der Todesnacht immer wieder neu überdenken - und das Verhältnis der beiden. Sie auf der Suche nach Freiheit, die sie dann doch nicht ergreifen will, ergreifen kann. Er irgendwo zwischen glückloser Verliebtheit und Hass. Einen Rivalen würde er Josch (Daniel Sträßer) nicht nennen, gibt Friedrich einer Polizistin zu Protokoll. "Außerdem: Ein toter Rivale ist oft gefährlicher als ein lebender. Er kann nicht mehr enttäuschen."

© dpa-infocom, dpa:201109-99-272279/3

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