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"Fallada - Im Rausch des Schreibens" auf Arte

Das Leben des Schriftstellers Hans Fallada verlief - milde gesagt - ungewöhnlich: Er saß im Gefängnis, war in Nervenheilanstalten, trank und spritzte sich Morphium. Aber ihm gelangen unvergessliche Werke. Arte zeigt einen Film über ihn, in dem Michael Schenk Fallada spielt.

Von Carsten Rave, dpa 22.11.2016, 16:04

Berlin (dpa) - Am Anfang war das Duell: Am 17. Oktober 1911 stehen sich Hanns Dietrich von Necker und Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, gerade einmal 18 Jahre alt, mit ihren Schusswaffen gegenüber.

Beide drücken ab. Necker stirbt, als sein Kontrahent ihn niederschießt und dann noch den Gnadenschuss versetzt, Ditzen richtet die Waffe danach gegen sich selbst, wird aber schwer verletzt gerettet. Geplant hatten die beiden ihren Doppelmord, wird überliefert - ein kühnes Vorhaben. Doch für den Internatsschüler bedeutet dieser Moment der Start in ein einzigartiges Leben.

Ditzen, 1893 in Greifswald als Sohn eines Landrichters geboren, hat später als Schriftsteller Hans Fallada Ruhm erlangt. Sein Vater befreit den jungen Mann nach dem mörderischen Duell mit Müh und Not aus der misslichen juristischen Lage. Der junge Ditzen gilt als schuldunfähig und wird in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Die Schlüsselszene - der Schusswechsel - macht auch den Auftakt zu dem Dokudrama "Fallada - Im Rausch des Schreibens" (Regie: Christoph Weinert), das Arte an diesem Mittwoch (22.30 Uhr) zeigt.

Ditzen will schreiben, der Entschluss steht. Sein Vater hätte ihm lieber eine juristische Karriere verpasst, gibt aber unter der Bedingung nach, dass der Sohn unter Pseudonym schreibt. Und so stehen zwei Grimm-Märchen Pate für die schriftstellerische Karriere: "Hans im Glück" und das Pferd Falada (mit einem "l" geschrieben) aus dem Märchen "Die Gänsemagd". Zunächst hat er keinen Erfolg, bis ihn der Verleger Ernst Rowohlt entdeckt und fördert. Sein Roman "Kleiner Mann, was nun?" wird in viele Sprachen übersetzt und erscheint sogar im späteren Verlauf der 30er Jahre, weil die rechten Machthaber das Buch als Abrechnung mit der Weimarer Republik betrachten.

Doch zunehmend gehen die Nazis auf Distanz zu dem Mann, der "unpolitisch, aber naiv gegenüber dem Nationalsozialismus" war, wie die Lektorin Nele Holdack vom Berliner Aufbau Verlag sagt, der kürzlich den Welterfolg "Kleiner Mann, was nun?" erstmals in seiner ungekürzten Originalfassung veröffentlichte. Falladas Schaffen wird in den späten Jahren zunehmend geprägt durch seine alkoholischen Exzesse und seine Morphinsucht. Bei einem Streit mit seiner Frau fällt ein Schuss, er wandert ins Gefängnis, 1944 wird die Ehe geschieden - kurz vor Kriegsende heiratet Fallada die 23-jährige Ursula Losch. Seine Sucht-Exzesse gehen mit ihr weiter.

Im Film kommen unter anderem noch Falladas Biografin Jenny Williams und sein Sohn Achim zu Wort, der zwar seinen Vater kaum gekannt hat, von der Mutter aber einiges über ihn erfuhr.

"Jeder stirbt für sich allein" heißt schließlich Falladas schriftstellerisches Vermächtnis, bevor er 1947 im Krankenhaus stirbt. In Falladas Rolle schlüpft in dem Film Michael Schenk (50) - eine perfekte Besetzung: tiefe Gesichtsfurchen prägen das Gesicht des Schauspielers, er steckt sich im Film laufend neue Zigaretten an und kippt ein Glas nach dem anderen in sich hinein - wie im Rausch.

Fallada - Im Rausch des Schreibens