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Wolfgang Lippert: Lebenslauf mit Hochs und Tiefs

Mit 30 bringt ihn Erna in die DDR-Charts. Mit 40 wird er das Gesicht des ZDF-Flaggschiffs Wetten, dass..?. Und wo steht Lippi mit 64?

Von Sophia-Caroline Kosel, dpa 22.03.2016, 09:41

Berlin (dpa) - Ich wollte nichts anderes als dazugehören, geliebt werden, hüben wie drüben. Mit 64 Jahren blickt Entertainer Wolfgang Lippert auf eine Karriere zurück, die ihn erst schnell ganz nach oben katapultierte - und ihn schließlich völlig überraschend in ein tiefes Loch hinunterzog.

Der quirlige (Ost)-Berliner hat sich inzwischen wieder aufgerappelt. Man darf nicht allzulange nach hinten schauen, dahin, wo sich die Vergangenheit langweilt, resümiert er in seiner neuen Biografie. Ihr Titel: Wetten, dass... Erna kommt?! - Mein buntes Leben – schwarz auf weiß.

Arm an Wendungen war dieses Leben von Anfang an nicht: Nach der Schule absolviert der autovernarrte Sohn eines Kapellmeisters eine Kfz-Lehre, dann arbeitet er als Assistent eines bekannten Fotografen, dann als Roadie für einen Chor. Sich im Leben, wenigstens eine Zeit lang, für nichts zu schade zu sein, lohnt absolut, allein schon der nötigen Bodenhaftung wegen, schreibt er rückblickend.

Es folgt ein Fachschulstudium zum Sänger. Kaum ist es 1982 beendet, stürmt Lippi die Charts: mit Erna kommt. Eigentlich wollte ich das Lied gar nicht singen. Ich wollte nach dem Studium Kunst machen, sagt er im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Wenige Monate später wird der Sänger zudem ein gefragter TV-Moderator - etwa in der Kindersendung He du! oder der Samstagabend-Revue Meine erste Show. Auch im Hörfunk ist der Vielredner aktiv. Ein Jahr vor dem Mauerfall schließlich moderiert er als erster DDR-TV-Moderator eine Show im Westfernsehen: Stimmt`s? bei Radio Bremen.

Lippi schreibt über diese Zeit: Nach Erna ging`s immer nur aufwärts, und das sogar bis in die Neunziger hinein. Mir ging`s gut, ich verdiente viel Geld ..., ich raste von Veranstaltung zu Veranstaltung - als moderierende Quasselstrippe mit Erna im Gepäck. Aber später habe er sich gefragt: Wo war Deine Seele in den Achtzigern? Die ehrliche Antwort lautet: Seele war wohl nicht so die Kategorie, in der ich dachte. Ich weiß nur, dass ich in vielerlei Hinsicht mehr Glück als Verstand hatte.

Dann fällt die Mauer. Während die meisten anderen DDR-Künstler in ein Loch fallen, weder hüben noch drüben gefragt sind, hält die Lippertsche Glückssträhne an. 1992 geht es dann nicht mehr höher: Der Berliner wird Nachfolger von Thomas Gottschalk bei Wetten, dass..?. Er erreicht mehr als 15 Millionen Zuschauer. Bei den Kritikern hat er keinen guten Stand: Peinlich bis infantil, urteilt etwa das Hamburger Abendblatt im September 1993. Hellmuth Karasek schreibt in der Welt, der Lippert sei zu keinem Witz fähig (und) ... ein einziger unangenehmer Ranschmeißer.

Schon zu DDR-Zeiten gab es nicht nur Fans. Manchem war der immer auffällig gekleidete Moderator, dieser Typ mit seiner ewigen Brille (O-Ton Lippi) mit Bildschirm-Abo zu arrogant, zu exaltiert, zu abgehoben. Doch nun folgt eine für den Entertainer schmerzhafte neue Dimension: 1993 muss Lippert das ZDF-Flaggschiff schon wieder verlassen - Gottschalk ist im Privat-TV gescheitert und kehrt zurück. Lippert bekommt zwar noch bis 2001 immer mal wieder ZDF-Engagements - aber das Image des Gescheiterten klebt an ihm.

Besoffen vom eigenen Größenwahn wiegte ich mich in betrügerischer Sicherheit, dass MIR schon nichts würde geschehen können. Weil Lippi, sollte es tatsächlich einmal brenzlig werden, bereit ist, seine tödliche Waffe zu ziehen, das stumpfe Schwert seines "Da lächeln wir uns schon durch, das wäre ja gelacht", schreibt er.

Und: Ich habe versäumt, mir rechtzeitig eine starke Lobby zu verschaffen. Ich habe mich all zu sehr auf die Großen Jungs verlassen, die Intendanten und Abteilungsleiter. .... Die Großen Jungs, was die von Freundschaft halten, ist nicht immer das, was olle Lippi darunter versteht.

In den 90ern gibt es zudem mehrere private Tiefschläge: Der Entertainer fällt privat auf mehrere Betrüger herein - etwa den Schweizer Schorsch, der Lippert bei sechsstelligem Einsatz ein lukratives Geschäft mit 100 Prozent Rendite verspricht. Den Großteil der Summe sieht Lippert nie wieder. Er muss schließlich Privatinsolvenz anmelden. Zu allem Überfluss bringt ihn eine im Baumarkt geklaute Zange in die Boulevard-Blätter.

Doch Lippi beißt sich durch. Inzwischen ist er im Rentenalter und dennoch beruflich aktiv. Seit 15 Jahren steht das selbst ernannte Sonnenkind mit ein paar Pechsträhnen bei den Störtebeker-Festspielen auf Rügen als Balladen-Sänger auf der Bühne. Bei seinem Heimatsender, dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), moderiert er einen Rückblick auf den DDR-TV-Hit Kessel Buntes - und freut sich über die Quoten. Zwischen 0,44 und 0,53 Millionen Zuschauer sahen die vergangenen Sendungen im MDR-Gebiet (Marktanteil: zwischen 12,4 und 13,6 Prozent).

Er moderiert aber auch kleinere Events - etwa den Wohltätigkeitsball auf der Insel Rügen oder die Frauentagsgala in Löbau. Doch es gibt auch bei ihm Grenzen: Für die Teilnahme an der Dschungelshow bei RTL sei ihm viel Geld angeboten worden, sagte er der dpa. Da hab ich gesagt "Nein Danke". Und was wäre, wenn der ZDF-Intendant anrufen würde?: Da würde ich Ja sagen. Talkshows würde er gerne mal wieder moderieren.

Wolfgang Lippert

Biographie