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Uraufführung von "An kalten Tagen bitte Türen schließen" am Theater Magdeburg Viel Dramatik auf einer Urlaubsinsel

07.02.2011, 04:27

Kai Ivo Baulitz, der Autor von "An kalten Tagen bitte Türen schließen", schrieb seinen Text nicht im stillen Kämmerlein. Das Auftragswerk für das Theater Magdeburg entstand in einem Workshop mit Schauspielern und Inszenierungsteam. Gemeinsame Improvisationen und Recherchen bilden die Basis des Stückes, das jetzt unter der Regie von Enrico Stolzenburg im Schauspielhaus uraufgeführt wurde.

Von Claudia Klupsch

Magdeburg. Auf einer idyllischen Ostseeinsel treffen zusammen: Betty, noch nie fort gewesen, ihre Tochter Caro, vor Jahren abgehauen, jetzt zu Besuch, deren Mann Jerome, als Konzertpianist ständig auf Achse, sowie der Inselarzt, seit 23 Jahren einsam an diesem Ort. Die Konstellation regt an, Fragen wie diesen nachzugehen: Nach Hause kommen und abreisen, einem Ort verfangen oder nie richtig ankommen – was macht die Fremde mit Menschen? Wie und warum prägt Heimat? Doch Ansätze, sich Antworten zu nähern, bleiben im Stück schwach.

Caro und Jerome bringen ihren Beziehungskrieg mit auf die Insel. Julia Schubert und Bastian Reiber liefern sich Szenen einer kaputten Ehe. Sie nennt ihn Memme und Muschi; er sagt, "Menschen wie du werden irgendwann erschossen". Mit ihrem (Koffer-)Ballast schaffen sie es bei Ankunft kaum durch den Wald aus hölzernen Bäumen, den Bühnenbildnerin Doris Dziersk zimmern ließ. Betty, genannt Betz (Isolde Kühn) und der Inselarzt (Sebastian Reck) freuen sich über den Besuch. Sie wollen zusammen feiern, bevor Betty zum ersten Mal auf große Flugreise geht. Darauf ordentlich Sanddornschnaps!

Doch eine fröhliche Party sieht anders aus. Es gilt, harte Kost zu verdauen. Damit es nicht zu quälend wird, ist Komisches in Text und Szenen gestreut. Lustiges Feiern geht über in dramatischen Ehestreit. Ein harmloses Liedchen wird abgelöst von emotionalen Ausbrüchen.

Julia Schubert zeigt eine Frau in "toxischer Ehe". Ihre Kinder würden sie zerstören wollen, glaubt sie. Befremdlich, wie sie den Abschied von ihren Söhnen im Angesicht zweier kleiner Holzlatten probt. Unfähig liebevoller Worte, bringt sie stattdessen Volksweisheiten durcheinander ("Früher Vogel ist dicker als Wasser.") Ihre stärkste Szene hat Schubert gemeinsam mit Bastian Reiber. Der alberne Maskentanz ihres brünstigen Partners mündet in lauten verzweifelten Schmerzensschreien. Reiber überzeugt als wehrhafter Trottel, dessen Welt ins Wanken gerät. Zur Illustration dieses Zustands nutzt er den vorhersehbaren Regie-/Bühnenbild-Einfall schwankender Bäume.

Isolde Kühn als "Jetzt-bin-ich-mal-dran-Frau" beherrscht die Wechsel zwischen naiver Provinzmutti mit Flugangst und spröder Alleswisserin. Sebastian Reck gibt den zurückhaltenden Loser, dessen Absichten im Dunkeln bleiben. Für originelle instrumentale Tüpfelchen sorgt Maria Hinze als "Musiklehrerin in Sommerfrische".

Figuren und Konflikte bleiben rätselhaft

Figuren und Konflikte bleiben rätselhaft. Hat Caro tatsächlich Gehirnschwund? Oder ist sie einfach der Ehe überdrüssig und der Kindererziehung unfähig? Warum redet sie ihre Mutter mit Tante Betz an? Warum diese Distanz? Warum findet sie den Weg zum Haus nicht? Ewig nicht hier gewesen? Warum? Oder doch ein Indiz für die Krankheit? Warum stellt sie ihre Mutter im Tanz als Monster dar? Warum sind beide so sprachlos, obwohl sie sich innig umarmen? Warum bleibt die Reaktion einer Mutter aus, ihr krankes Kind pflegen zu wollen?

Zu wenig Klarheit, zu viel Unausgegorenes, in der Summe zu viel aufgesetzt wirkende Dramatik. Am Ende bleiben Sätze für das Zitatenbüchlein, die Reise des Lebens betreffend. So etwa dieser: "Weiß der Teufel, wo du landest und was er dann mit dir macht."