Im Magdeburger Puppentheater hatte die Geschichte von der Glücksfee Premiere Von der Freude über das Kleine im Leben
Eine Glücksfee ist ins Magdeburger Puppentheater eingezogen. Allerdings: Das Bild von der zarten, rosafarbenen, wunderschönen Fee sollte jeder, der die Vorstellung demnächst besucht, vor der Tür lassen.
Magdeburg. l Die Fee, die hier über die Bühne fegt, ist dick, hat eine freche Klappe und kann so richtig motzen.
Das neue Ensemble-Mitglied Claudia Luise Bose hat am Sonntag mit dem Stück, nach der Vorlage von Cornelia Funke, ihren Einstand gegeben und die Spielzeit im Haus an der Warschauer Straße eröffnet. Eine Premiere mit Hindernissen. Aber mit viel Glück.
Die Glücksfee hat sich gerade so richtig schön in Rage geredet. Vom Glücklichsein spricht sie, vom undankbaren Jungen Lukas Besenbein, der nicht schätzt, was er hat. Die Kinder im Publikum hängen an den Lippen dieser unglaublich dick ausgepolsterten Frau mit dem lila-geblümten Kleid. Was wird die schwer beschäftigte Fee mit dem lustigen Namen Pistazia Susanna Knackfrisch als Nächstes tun, damit der Miesepeter endlich auftaut?
Da versagt plötzlich die Tontechnik. Mitten in der Vorstellung. Pech für die Glücksfee? Nein, eher Glück für das Publikum an diesem Nachmittag. Denn genau in diesem Moment, da jemand von "Premieren-Pech" reden könnte, läuft Puppenspielerin Claudia Luise Bose zu ganz großer Form auf. "Werbepause" ruft sie schlagfertig, als kein Geräusch mehr auf der Bühne zu hören ist. Das ist nicht geplant. Aber statt Verzweiflung macht sich ungeprobte Spielfreude im Kleinen Saal breit. Während die Techniker hantieren, improvisiert Bose: "Wir wollen die Geschichte ja nicht verlieren, also fasse ich mal kurz zusammen, was bisher passiert ist", lässt sie ihre kleine Glücksfee-Handpuppe sprechen. Wer weiß noch was übers Glücklichsein?
Kinder hüpfen von den Sitzen, Erwachsene rufen: "Du zeigst es uns." Das ist live! Das ist ein Glücksfall. Die Kinder werden unerwartet ein Teil des Stückes. Der Funke springt über. Die Bühne ist überall, auch im Zuschauerraum. Die Zwangspause ist schnell vergessen, als der Techniker den Daumen nach oben reckt.
Das Stück geht weiter, die Mission der Glücksfee ist noch nicht erfüllt. In drei Lektionen wird dem Jungen "mit Übellaunigkeit der Stufe 6" gezeigt, dass es oft die kleinen Dinge sind, die uns glücklich machen - ein kuschliges Bett, eine leckere Tasse Kakao, die Farben dieser Welt. Mit lautem Knallen öffnet Claudia Luise Bose beim Spiel einige Klappen auf der Bühne. Klappe auf - und schon taucht ein rosa Telefon auf und klingelt. Sie öffnet die nächste Klappe, und schon "wächst" an anderer Stelle ein Rasen.
Eine nächste Klappe wird zum Dach, auf dem die Fee den Miesepeter-Jungen mitnimmt, um ihm die nächtliche Welt von oben zu zeigen - und um ihm ein bisschen Angst einzujagen. Über der Bühne baumeln Glühbirnen an langen Strippen. Durch das Spiel von Bose werden sie zu frechen Sternen, die "Weichei, Weichei" rufen. Die Ausstattung von Frank A. Engel, der auch für die Regie und die Puppen verantwortlich war, ist einfach aber wirkungsvoll und nie langweilig. Bose poltert als Fee zwischen den Welten - von Schweben kann bei dieser dicken Fee ja nun wirklich nicht die Rede sein. "Glück ist dick", ruft die Fee als Puppe auf der Hand der Puppenspielerin. Menschen-Fee und Puppen-Fee verschmelzen zu einer Figur. Es ist die Kunst von Bose, dass das Publikum diesen Wandel immer nachvollziehen kann.
Die Fee bestimmt das Spiel in der Geschichte und auf der Bühne. Diese Glücksfee ist greifbar, sie steigt von der Bühne, tanzt mit einer Frau aus dem Publikum, weil "tanzen glücklich macht". Sie fordert Männer dazu auf, sich die Hände zu reichen, "weil jemanden kennenzulernen glücklich macht." Die Erwachsenen hat die Fee schnell auf ihrer Seite. Es braucht aber ein wenig Zeit, bis kleine Kinder dem Spiel ums alltägliche Glück folgen können. Vielleicht, weil sich Kinder ab vier Jahren noch nicht wirklich bewusst Gedanken ums Glücklichsein machen. Aber sie machen die Reise in der Feenwelt mit.
Nichts Lautes, Spektakuläres, unnötig Modernes zerreißt das Feenstück. Wenn die Erwartungen nicht zu hoch und das Zart-Rosa-Feenbild nicht zu fest in der eigenen Fantasie eingegraben sind, ist die Bose-Vorstellung genau das Richtige für einen unterhaltsamen Nachmittag.
Das Puppentheater bringt eine kleine, aber feine Inszenierung auf die Bühne, die durchaus das Zeug dazu hat, Endorphine auszuschütten. Denn sind es nicht gerade oft die kleinen Dinge, die uns wirklich glücklich machen?