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Sonderausstellung im Schloss Wernigerode über das "teure Nass" Von der Historie des Badens

04.08.2011, 04:32

"Vom teuren Nass" heißt die derzeitige Sonderausstellung im Frühlingsbau von Schloss Wernigerode. Es geht ums Baden und die Geschichte der historischen Bäderarchitektur. Wie aber vermittelt man ein derartiges Thema? Mit Plänen, Karten, alten Ansichten und Badezubehör? Die Ausstellung in Wernigerode geht einen anderen Weg.

Von Hans Walter

Wernigerode. In 44 höchst detailgetreu gebauten Modellen entsteht von den fürstlichen Badegemächern wie dem Badehaus im Schlosspark Schwetzingen über das großherzögliche Heilbad Heiligendamm um 1830 und die Ansichten aus Baden-Baden bis zum Arbeiterbad der Farbwerke Hoechst am Main die anregende Badekur- und Gesundheitshistorie Mitteleuropas.

Sichtbar wird, wie sich allgemeine Hygiene erst allmählich durchsetzte - dann aber mit Macht. Vor der Aufklärung galt dem Adel Waschen als plebejisch - man setzte statt dessen auf Duftwässerchen. Es war die Zeit von Pest und Cholera. Mangelnde Hygiene und geradezu katastrophale sanitäre Verhältnisse in den Städten trugen dazu bei.

Schnell aber brachten Pädagogik, Medizin und Wissenschaft neue Erkenntnisse. Wasser und Baden taten not. Allenthalben wurden in den großen Strömen Badeschiffe und Flussbadeanstalten fürs "gemeine Volk" errichtet - so 1761 in Paris.

Frankfurt und Berlin folgten alsbald dem Beispiel. "Bader" wurde ein Beruf - und Nachname. Das Schwimmen in freier Natur war wohltuend für Körper und Geist - schon von Jean-Jacques Rousseau in seinen aufklärerischen Romanen beschrieben.

Das Wasser hatte viele Gesundheits-Wirkungen. Es diente der Abhärtung ebenso wie der Heilung von Krankheiten. In Schönebeck-Salzelmen, dem ältesten deutschen Solbad, nach dem Beispiel des Seebades Heiligendamm eingerichtet, pries der Mediziner Dr. Tolberg das Salzwasser als Wundermittel gegen Lungenkrankheiten und Skrofulose. Ein anderer Arzt - Sebastian Kneipp - gab 40 Jahre später der Wasserkur und dem Wassertreten die Grundlage.

Die Modelle der Badehäuser des Adels, der öffentlichen Badeanstalten, der neu entstehenden See- und Kurbäder des Bürgertums und der Volksbäder sind eine Augenfreude. Der Betrachter geht mit den Augen darin spazieren, erfreut sich an überkommener Architektur, an Farben und Formen, an Räumen wie an Hunderten Details.

"Schlossherr" Dr. Christian Juranek und Kuratorin Dr. Susanne Grötz fanden den Grundstock ihrer Schau in den Expositionen "Reise ins Bad" und "Balnea - Architekturgeschichte des Bades" in Stuttgart, Gladbeck und Ulm.

Viele Anlagen wurden im Krieg zerstört

Vor allem Studierende und Mitarbeiter des Instituts für Darstellen und Gestalten der Stuttgarter Universität bauten die Wunderwelt der Badetempel en miniature.

Für Wernigerode mussten die Modelle aufwändig restauriert werden. Es entstanden aber auch neue, wie die historischen Badeanlagen von Bad Harzburg, für die Juranek alte Original-Baupläne entdeckte und nutzte. Auch Details der Badearchitektur des Calcium-Solebades Bad Suderode am Harz rücken ins Bild.

Auch heute kurios anmutende Erfindungen wie die Badekarren, die sowohl dem schicklichen Umziehen wie der Fahrt an die See und dem Bade dienten, sind zu sehen. Es gab auch immer mal wieder Rückschläge, wie die Badeverbote von 1803 und 1835 in Ulm an der Donau.

Ende des 19. Jahrhunderts dann die wohl bedeutendste Errungenschaft - die Volks- und Arbeiterbäder, wo erstmals die Masse des Volkes Bade- und Duschfreuden genoss. Für die Arbeiter in Bergwerken, in Chemiefabriken und im Maschinenbau geradezu eine revolutionäre Errungenschaft, zu sehen am Modell der Badeanstalt am Hamburger Schweinemarkt. Das Bad oder die Dusche in der eigenen Wohnung kam erst rund 60, 70 Jahre später. Viele der alten Anlagen gibt es nicht mehr. Sie wurden im Krieg zerstört oder mussten anderen Bauwerken weichen. In der Ausstellung aber leben sie wieder auf.

Mit ein bisschen Fantasie sieht man Jung und Alt im Wasser planschen, spielen, schäkern, flirten. "Vom teuren Nass" ist eine schöne, detailverliebte Exposition - zu sehen bis 31. August im Schloss Wernigerode täglich von 10 bis 18 Uhr. Dazu erschien das Buch "Balnea" - eine wahre Fundgrube zum Thema.

www.schloss-wernigerode.de