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Sommertheater-Premiere vom Theater an der Angel Von Zauber nichts zu spüren

Von Claudia Klupsch 14.06.2010, 05:20

Theater ist Leidenschaft. Fußball ist Leidenschaft. Beides zu kombinieren, lässt emotionales Spektakel erwarten. Das "Theater an der Angel" geht im Sommer der Fußballweltmeisterschaft die Liaison zwischen Theater und Fußball ein. Das Musical "Die Ballade von Garuma" hatte just am Abend des WM-Eröffnungsspiels unter der Regie von Tom Wolter Premiere. "Zu viel gewollt", würde der Fußballkommentator sagen, wenn er auf ambitioniertes, aber wenig geglücktes Spiel schaut.


Magdeburg. Geglückt ist sehr wohl, die MDCC-Arena zum Ort theatralischen Erlebens zu machen. Das Wagnis hat sich gelohnt. Das Publikum wird auf einer Stadionrunde zunächst gut auf Fußball eingestimmt, tankt die Atmosphäre eines (wenn auch leeren) Stadions, lernt marottige Spielerfrauen, einen frustrierten Spieler und desillusionierten Trainer sowie ein ungleiches Fan-Pärchen kennen. Witzig: Eine Priesterin weiht mit heiligem "Sparwasser" den grünen Rasen – Fußball als Religion.

Für die Aufführung des Stücks wird das Publikum auf extra gebaute Sitzreihen unterhalb der Arena-Betontribüne geleitet. Sand und künstliche Palmen auf der Bühne sollen an den Zuckerhut versetzen. "Die Ballade von Garuma" des niederländischen Autors Ad de Bont, 1989 uraufgeführt, erzählt vom Straßenjungen Garuma. Im Slum von Rio wächst er in bitterster Armut auf, streunt mit seinen Freunden herum, treibt Schabernack und vernebelt sich das Hirn mit Klebstoffschnüffeln.

Trappatoni-Verschnitt erster Güte

Eines Tages wird sein fußballerisches Genie entdeckt, und der Traum von der Fußballerkarriere in Europa erfüllt sich. Doch der Absturz ist vorprogrammiert.

Das Stück lässt das Publikum in südamerikanisches Lebensgefühl eintauchen. Bunt gekleidete Menschen tanzen und singen, erfeuen sich ihres Daseins – trotz Tristesse, Armut und Kriminalität. So wechseln sich feurige Samba-Rhythmen und schwermütige Balladen, schillernde Tanzszenen und traurige Bilder ab. Die zehn Schauspieler auf der Bühne meistern anspruchsvollen Chorgesang und einstudierte Tanzchoreografien. Aus den Szenen sticht der Höhenflug des Garuma als "bester Fußballer der Welt" hervor. Solo unter die Haut zu singen vermag jedoch einzig Eleonora Gehrisch als Erzählerin Amaranta.

Matthias Engel als Garuma bemüht sich nach Kräften, den Spitzbuben, das Glückskind und den Unglücksraben zu geben. Den jungen Fußballer mag man ihm jedoch nur schwerlich abnehmen. Ines Lacroix sorgt für die Lacher des Abends. Als Trainer Barraca mit Sonnenbrille und Zuhälterkettchen gibt sie einen Trappatoni-Verschnitt erster Güte und fordert die "Ärsche lahm" zu erschöpfendem Training auf. Sie ist bekanntermaßen Meisterin darin, das Publikum zum Mitmachen zu animieren. Diesen Trumpf kann sie hier nur kurz ausspielen.

Ein Zuviel an Bildern und Klamauk

Trotz turbulenten Geschehens kommt mitunter Langatmigkeit auf. Es ist einfach ein Zuviel an Bildern. Als tragikomisches Märchen-Musical kann Nachdenken nicht einsetzen – trotz einiger trauriger Melodien und des Bildes einer verwirrten Mutter mit totem Kind. Es ist ein Zuviel an Klamauk, dann etwa, wenn ein ulkig ausstaffierter Bischoff den Rasen weiht. Garumas verzweifelter Aufschrei "Ich will nicht mehr" geht nach einem albernen Getue am Krankenbett unter.

"Die Ballade von Garuma" ist ein Erlebnis wegen des außergewöhnlichen Spielorts. Doch von Zauber ist nichts zu spüren, weder der des Fußballs, noch der des Theaters.