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Der Ausnahme-Musiker präsentiert sich in der GETEC-Arena sinnlich, poetisch und philosophisch Warmer Regen für Udo Jürgens

Von Grit Warnat 22.03.2012, 04:13

Sinnlich, poetisch und philosophisch - so ist Udo Jürgens auf seiner aktuellen Tournee. Es fehlen aber auch nicht seine Klassiker und nicht sein "Tschüss" im Bademantel. Das hat Tradition.

Magdeburg l Dunkler Anzug mit Weste, rotes Einstecktuch, Lackschuhe. Ganz Gentleman ist Udo Jürgens. Auch in seiner Begrüßung am Dienstagabend, als er "Ich freue mich, hier zu sein" ins Mikrofon tönt. Sein Publikum in der - trotz der Ticketpreise bis über 100 Euro - fast ausverkauften GETEC-Arena klatscht freudig, auch, weil die Fans wissen, dass dieser Satz zwar nach Überall-gesagt-Floskel klingt, aber doch für den Entertainer und Ausnahme-Musiker Jürgens steht.

Denn das "Hiersein" ist die Bühne, seine Bühne, auf der er sich auch mit 77 Jahren nicht nur wohlfühlt, sondern die er förmlich braucht. "Ich steh\' im Rampenlicht, dafür lebe ich", singt Udo Jürgens, begleitet vom Orchester Pepe Lienhard und dem Chor The Voices und beginnt dann zu plaudern, so wie er es öfter an diesem Abend mag. Er erzählt von seinem Erfolg und dass es für ihn unbegreiflich ist, dass heute zu seinen Konzerten mehr Menschen anreisen als vor 10, 20 Jahren. Er spricht von großer Dankbarkeit und von Demut. Ehrliche Worte. Das Lied "Dafür brauch ich dich" passt. Es geht um Wunder, die geschehen. Jürgens zeigt in sein Publikum. Er breitet die Arme aus, er genießt den Blick in die Menge. Und die genießt ihn.

Jürgens am Flügel, spielend, singend. Fast drei Stunden an diesem Abend. Der Titel seiner Tour passt, "Der ganz normale Wahnsinn", deren Auftaktkonzerte er absagen musste. Probleme mit der Stimme. Auch der Magdeburg-Termin musste verlegt werden. Doch jetzt ist der Entertainer da - mit einem Programm, in dem der Fan lange auf die Klassiker warten muss. "Ich war noch niemals in New York", "Aber bitte mit Sahne" und "Ehrenwertes Haus", die alten Lieder, mit denen Jürgens sich seinen Ruhm erarbeitete, hat er an den Schluss gesetzt. Da steht - das hat nun mal Tradition - der durchgeschwitzte Erfolgsmann in seinem schneeweißen Bademantel auf der Bühne und wird gefeiert für ein Medley seiner Klassiker: "Vielen Dank für die Blumen", "Merci chérie", "Liebe ohne Leiden", natürlich "Griechischer Wein". Mitsingen, mitbewegen, mitklatschen.

So fröhlich, freudig, ausgelassen ist es nicht den ganzen Abend. Jürgens setzt mit 77 auf Lieder, die sinnlich sind, poetisch, er liebt kleine Ausflüge in die Philosophie. "Flieg - gegen den Wind, nur dann fliegst du weit. Glaube an deine Kraft, deine Einmaligkeit." Jürgens singt von Niederlagen, die unseren Charakter formen und uns stärker machen als ein Sieg. Er singt von Wünschen und Träumen, von Sehnsüchten und Hoffnungen. Und natürlich besingt er auch die Liebe mit Herz, auch Schmerz - sehr wohldosiert. Jürgens wird nie kitschig. In seinen Texten verarbeitet er Lebensthemen, die ihn berührt haben - und von denen sich auch viele andere im Publikum berührt fühlen.

Seine Lieder sind musikalische Rückblicke auf sein Leben. Ausschnitte aus dem Film "Der Mann mit dem Fagott", den die ARD im vergangenen Jahr zum 77. Geburtstag dem österreichischen Schlagersänger und Komponisten widmete, flimmern über die Leinwand, das Orchester spielt die Filmmusik, die Soli gehen unter die Haut. Für die Fans ist es ein interessanter Schnelldurchlauf, eine kleine Zeitreise durch ein bewegtes Leben in einem bewegten Jahrhundert. Wer hier keine Gänsehaut bekommt ...

Viel Beifall - Jürgens nennt ihn warmen Regen.

Mit Blumensträußen unterm Arm schüttelt er am Schluss viele Hände. Er winkt ins begeisterte Publikum, grüßt auch "die Mitgeschleppten", wie er schmunzelnd sagt. Auch wenn die nicht zum ausgesprochenen Jürgens-Fan werden, vielleicht nehmen sie ja seine Lebensmaxime mit nach Hause: Dass mit 66 Jahren das Leben anfängt. Oder wenn sie älter sind, den Satz von Jürgens: "Mit 75 wurde ich zum dritten Mal 25."