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Burgtheater "Willkommen bei den Hartmanns" auf der Bühne

Kann Komödie ernsthaft sein? Im Film ist es Simon Verhoeven auch dank eines Starensembles gelungen, dramatische Entwicklungen amüsant zu verpacken. Nun wagte das Akademietheater den Versuch für die Bühne.

Von Matthias Röder, dpa 20.11.2017, 13:36

Wien (dpa) - Diallo ist einfach nur "unser Flüchtling". Voller Stolz präsentiert die Münchener Arzt-Ehefrau und Ex-Lehrerin Angelika den jungen Nigerianer bei Bäckerin und Nachbarin. In der höchst erfolgreichen deutschen Kinokomödie "Willkommen bei den Hartmanns" wird dem afrikanischen Migranten nicht nur geholfen, er mutiert auch zum Prestigeprojekt und Aushängeschild der "Gutmenschen" aus der Vorstadt-Villa.

Es ist eine der vielen bitteren Pointen im Film von Simon Verhoeven zur Flüchtlingskrise aus dem "Willkommens-Zentrum" Europas. Im zuwanderungskritischen Österreich erlebte der Stoff am Sonntagabend in einer Bühnenversion im Wiener Akademietheater seine Uraufführung - mit großem Erfolg.

Dabei ist das Stück etwas ruppiger und schriller im Vergleich zum stets charmant-gefälligen Film. Da wird schon mal geohrfeigt und ins Gesicht gespuckt. Autorin Angelika Hager und der Hamburger Regisseur Peter Wittenberg lassen auch die von der wohl neuen Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten geplanten verschärften Asylgesetze einfließen. Das Dauer-Argument von ÖVP-Chef Sebastian Kurz zur notwendigen Schließung der Mittelmeerroute lässt Angelika (Alexandra Henkel) nur spotten. "Das ist ein selbstgefälliger Schnösel, der uns hier die Welt erklären will." Zentrales Element des Bühnenbilds (Florian Parbs) ist ein riesiges aufblasbares rotes Sofa, das genausogut ein Flüchtings-Schlauchboot sein könnte.

Dem Film war es gelungen, viele Aspekte der Migration auf amüsante Art zu hinterfragen. Auch dank der Starbesetzung mit Senta Berger, Heiner Lauterbach, Uwe Ochsenknecht, Elyas M'Barek und Florian David Fitz hatte die Komödie rund 3,8 Millionen Besucher und viele Filmpreise gewonnen.

Gleich zu Beginn wird im Stück das "Willkommen" auf der riesigen Bühnen-Mauer überpinselt. In Österreich wurden Flüchtlinge von vielen bald nur als eine Art Kostgänger des Sozialsystems gesehen. Für den Nigerianer Diallo (David Wurawa), dessen Familie von der Terrormiliz Boko Haram ausgelöscht wurde, ist die Lage in der Alpenrepublik so noch ein bisschen prekärer. Dabei fühlt er sich als neues Mitglied der Familie durchaus als Korrektiv für europäische Zustände: Für ihn sind die aufwendige Partnersuche, der Alkoholkonsum von Angelika oder der mangelnde Respekt vor dem Alter fremdes Terrain. 

Mit dem Altern hat Angelikas Ehemann Richard (Markus Hering) seine liebe Not. Seine Schönheits-Operation und sein Ausflug auf die Datingbörse "Tinder" sorgen für heitere Momente. Enkel Basti bringt Diallo in Bedrängnis, weil der Moslem in seinem Rap-Video inklusive Stripperinnen mitwirkt. Die Damen des Rotary-Clubs wollen Diallo schließlich "mit einer Portion Spaß" integrieren und bieten ihm mit Lederhose und Trachtenhut einen Schnellkurs in heimischem Brauchtum an. Dabei ist seine Integration augenfällig, trägt er doch ein Fußball-Trikot mit dem Namenszug von Bayern-Star David Alaba - der hat als gebürtiger Wiener Eltern aus Asien und Afrika.

Tochter Sofie (Alina Fritsch) und auch Mutter Angelika haben auch ihre Zweifel, ob die Öffnung der Grenzen und der Herzen richtig war und ist. "Die Angst, dass ich für meinen Optimismus bitter bezahlen muss, sitzt mir im Nacken", bekennt Angelika. Denn ihre Tochter ist Opfer eines sexuellen Übergriffs offenbar durch Ausländer geworden.  

"Gerade Komödien können sehr schwierige Themen spielerisch, unkompliziert und emotional zugänglich behandeln", meinte Filmregisseur und Drehbuchautor Verhoeven. Auf der Bühne wirkte der Stoff ernster als auf der Leinwand. Dazu passte auch der ganz andere Schluss. Während der Film den Zuschauer mit einem Happy End entlässt, setzt Hager auf einen ungewissen Ausgang, ob Diallo Asyl im äußerst zuwanderungskritischen Österreich bekommt.

Film "Willkommen bei den Hartmanns"

Theaterstück

Interview mit Simon Verhoeven