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Winckelmann Er fühlte das Altertum

Johann Joachim Winckelmann wurde 9. Dezember vor 300 Jahren in Stendal geboren. Er stieg zum wichtigsten Altertumsforscher seiner Zeit auf.

Von Grit Warnat 08.12.2017, 00:01

Stendal l Die Nachricht vom plötzlichen Tod muss im Freundes- und Bekanntenkreis wie eine Bombe eingeschlagen sein. Zu plötzlich und zu tragisch kam am 8. Juni 1768 das Lebensende. Johann Joachim Winckelmann war 50 Jahre alt, als er von einem Vorbestraften in Triest ermordet wurde. Die Mordakte überliefert: Er wurde gewürgt und hatte sieben Stichwunden. Schon sterbend konnte er gegenüber der Polizei jedoch noch eine Aussage machen. Der Attentäter wurde daraufhin gestellt, verurteilt, öffentlich gerädert.

Das Mordmotiv jedoch ist unbekannt. „Es könnte ein Raubmord gewesen sein“, sagt Kathrin Schade vom Winckelmann-Museum in Stendal. Denn: Winckelmann war zuvor in Wien bei Kaiserin Maria Theresia und habe als Anerkennung seiner Dienste wertvolle Münzen geschenkt bekommen.

Die Todesnachricht erschütterte in der Heimat auch Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau. Die beiden kannten und schätzten sich. Der Fürst hatte zusammen mit seinem Architekten Erdmannsdorff den Gelehrten Winckelmann in Rom besucht, weil sie Anregungen suchten für den Wörlitzer Sommersitz, jenes Schloss, das als Gründungsbau des deutschen Klassizismus gilt. Dass es den Betrachter heute so beglückt, ist großes Verdienst Winckelmanns. Der Wegbereiter der klassizistischen Ästhetik war Inspirationsquell für den Fürsten: In den Stuckarbeiten, in den Deckenmalereien, überall im Schloss Wörlitz finden sich Anregungen von diesem Rom-Besuch.

Dass sich der gebürtige Stendaler zum geschätzten Antiken-Forscher entwickeln würde, dass er es aus der Provinz bis ins päpstliche Rom schafft, dort zum Präsidenten aller antiken Kunstschätze Roms und Umgebung aufgesteigt, lag mit Blick auf seine Herkunft nicht sehr nahe.

Stendal hatte seine Blütezeit hinter sich, und die Verhältnisse, in die Winckelmann am 9. Dezember 1717 hineingeboren wurde, waren ärmlich. Am Geburtsort steht heute das Winckelmann-Museum, das einstige winzig kleine Haus existiert nicht mehr. Der Vater verdiente als Schuster den Familienunterhalt. Er hätte es lieber gesehen, dass der wissbegierige Sohn Pfarrer in der Altmark geworden wäre. Aber auch das Theologiestudium in Halle brachte den jungen Winckelmann nicht auf diesen Weg. Sein Faible: Geschichte und Kunst.

„Er hatte das Glück, immer gefördert worden zu sein“, sagt Kathrin Schade vom Museum und meint nicht nur den einstigen Rektor der Stendaler Lateinschule, sondern auch den preußischen Staat, der mit einer Förderung unter die Arme griff. Trotz Stipendien – das erste Gesuch wurde in Stendal noch abgelehnt – waren Geldsorgen allgegenwärtig. Viele Jahre musste sich Winckelmann als Hauslehrer durchs Leben boxen, er verdingte sich lange in der Altmark, allein fünf Jahre als Konrektor im kleinen Seehausen.

Auch in Berlin, wo er Griechisch lernte, musste er sich sein Brot als Lehrer verdienen. Trotzdem saß er in Bibliotheken, verschlang Bücher, um seinen Wissensdurst zu stillen. Sein Ehrgeiz, sein Talent, sein immenser Fleiß seien entscheidende Wegbereiter seines Erfolges gewesen, sagt Schade. Und er habe schon damals als guter Netzwerker agiert. Er habe Kontakte gepflegt und ausgebaut.

Sein Aufenthalt in Dresden prägte seinen Werdegang. In der sächsischen Stadt begegnete Winckelmann erstmals antiken Skulpturen, dort verfasste er seine erste kunsttheoretische Betrachtung zu originalen Kunstwerken. Griechenland war weit, er wollte, er musste unbedingt nach Rom, um Antike noch intensiver zu erfahren. Die Stadt war ein Karrieresprung. Winckelmann studierte alle dortigen Antikensammlungen, reiste nach Neapel, Pompeji, Portici und schrieb immer weiter an seinen kunsttheoretischen Betrachtungen, mit denen er die moderne Kunstgeschichte prägte.

Schon zu Lebzeiten verdiente er sich mit seinen ästhetischen Ansichten von der „edlen Einfalt und stillen Größe“ antiker Kunst großes Ansehen. Seine Schriften waren in intellektuellen Kreisen hochgeschätzt – auch beim Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe. Mit ihm und Schiller ist die Weimarer Klassik verbunden. Was wäre sie aber ohne Winckelmann? „Er fühlte und kannte das Alterthum“, schrieb Goethe einst anerkennend. Er las Winckelmann und kaufte dessen Bildnis für Weimar. Anton von Maron hatte es 1768 gemalt. Eine Kopie des Maron-Gemäldes war im Besitz des Fürsten Franz.

Original und Kopie waren im Sommer in einer Ausstellung in Wörlitz zu sehen. Die dortige Kulturstiftung hatte wie weitere Ausstellungshäuser und Museen in Deutschland den 300. Geburtstag Winckelmanns zum Anlass genommen, Blicke auf dessen Leben und Werk zu richten.

Stendal würdigt den Sohn der Stadt bis Sonnabend in einer Festwoche. Das Museum ist noch geschlossen. Es wird umgebaut und neugestaltet und eröffnet im Mai des nächsten Jahres mit einer neuen Ausstellung. Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle plant im neuen Jahr eine Schau, und die Staatlichen Antikensammlungen München erinnern an den gewaltsamen Tod des Gelehrten in Triest. Der jährt sich 2018 zum 250. Mal.