Interview mit Sandra Maischberger über ihre Dokumentation zum NATO-Doppelbeschluss ZDF zeigt "Pershing statt Petting"
In der ARD präsentiert Sandra Maischberger die Talkshow "Menschen bei Maischberger". Im ZDF ist nun ihre Dokumentation "Pershing statt Petting" zu sehen. Maischberger hat auch persönliche Gründe gehabt, den Exkanzler Helmut Schmidt für den Film als Initiator des NATO-Doppelbeschlusses zu befragen. Zur Ausstrahlung der ZDF-Dokumentation heute und am 9. August (jeweils 22.45 Uhr) äußert sich Maischberger im Gespräch mit dapd-Korrespondentin Inge Treichel.
Frage: Am 10. Oktober 1981 fand im Bonner Hofgarten die erste große Demonstration mit 300000 Teilnehmern gegen die Nachrüstung mit Pershing II und Cruise-Missile-Raketen statt. Welche Meinung hatten Sie damals als 15-jährige Schülerin über die Demonstrationen der Friedensbewegung und zu Helmut Schmidts Rechtfertigung des NATO-Doppelbeschlusses? Sandra Maischberger: Meine erste Erinnerung an Helmut Schmidt ist sein Bundestagswahlkampf 1980. Er trat gegen Franz-Josef Strauß an, und als gute bayerische Schülerin mit "Stoppt Strauß"-Plakette war ich natürlich dafür, dass Schmidt Kanzler bleibt. Meine Haltung zu Schmidt änderte sich in den Jahren 1981/82. Ich gehörte zu den Jugendlichen, die, ohne "strategische Kenntnisse", wie Schmidt das formulieren würde, das Gefühl hatten, auch ohne die Nachrüstung seien bereits genügend Atomwaffen in der Bundesrepublik stationiert. Ich war mit seiner Politik nicht einverstanden.
Frage: Könnten Sie sich eine Konstellation vorstellen, in der Sie mit auf die Barrikaden gegangen wären?
Maischberger: Für die großen Barrikaden – die Blockaden in Mutlangen oder die Großdemonstrationen im Bonner Hofgarten – war ich noch ein bisschen zu jung. Im heimischen Garching aber habe ich etwa bei friedensbewegten Jugendgottesdiensten oder Aktionen im "3.-Welt-Laden" mitgemacht.
Frage: Was hat Sie beim Gespräch mit Helmut Schmidt über das Thema persönlich besonders interessiert?
Maischberger: Anfangs ganz simpel: die Frage, ob er Recht hatte. Im Laufe der Recherche haben sich viele andere Fragen ergeben, etwa zum Einfluss der Bürger auf ihre Regierung, zur Dynamik einer Massenbewegung, zum generellen Sinn einer Politik der gegenseitigen Abschreckung.
Frage: Glauben Sie, dass Schmidt damit hadert, dass und wie seine Kanzlerschaft 1982 beendet wurde?
Maischberger: Mein Eindruck ist: Heute sicher nicht mehr. Er sagt im Gespräch aber auch, dass die außenpolitische Frage mit dem Ende seiner Kanzlerschaft nichts zu tun hatte – anders, als der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher es darstellt.
Frage: Was hat Sie motiviert, sich mit diesem geschichtlichen Abschnitt zu beschäftigen?
Maischberger: Nach meinem ersten Film über Helmut Schmidt, "Helmut Schmidt außer Dienst", bin ich oft gefragt worden, ob ich nicht einen weiteren Film über ihn machen wollte. Das habe ich abgelehnt, allerdings immer gesagt, dass der Streit um den NATO-Doppelbeschluss mich noch interessieren würde. Das erzählte ich auch meinem Kollegen Jan N. Lorenzen. Aus diesen Gesprächen entstand die Idee zu diesem Film. Wir beide gehören zu der Generation, die in dieser Zeit und nicht zuletzt über diese Frage politisiert wurde.
Frage: Mit 30 Jahren Abstand denken viele Deutsche sicher gelassener über die Aufregung von damals. Denken Sie, dass man Lehren aus dem Verlauf der Geschichte ziehen kann?
Maischberger: Es gibt ja namhafte Historiker, die behaupten, die Menschheit sei gar nicht in der Lage, Lehren aus der Geschichte zu ziehen... Die eine aber vielleicht doch: Weniger Aufgeregtheit täte der Betrachtung vieler Fragen gut.
Frage: Möchten Sie an weiteren geschichtlichen Dokumentationen arbeiten, wenn ja, welche Themen kämen infrage?
Maischberger: Jan N. Lorenzen arbeitet bereits an weiteren Projekten. Ich werde das in Zukunft sicher auch wieder tun.