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Mediziner diskutieren in Magdeburg ganzheitliche Therapieansätze bösartiger Erkrankungen Bei Blutkrebs braucht auch die Seele Hilfe

03.11.2012, 01:13

Blutkrebs kann Menschen jeden Alters treffen. Über aktuelle Therapien diskutieren in Magdeburg Ärzte am 7. November auf einem ärztlichen Symposium. Uwe Seidenfaden sprach vorab mit Prof. Dr. Thomas Fischer, Organisator.

Volksstimme: Welche Frühsymptome verursachen bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems und wann sollte man zum Arzt gehen?

Professor Fischer: Die Frühsymptome sind oftmals unspezifisch und äußern sich mit andauernder Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Leistungsverlust, Nachtschweiß, Temperaturerhöhung oder Gewichtsverlust. Allerdings können diese Symptome auch durch andere, zum Teil harmlose Erkrankungen ausgelöst werden. Die Ursache der Beschwerden sollte durch den Hausarzt abgeklärt werden. In unklaren Fällen ist ein Blutbild beziehungsweise ein sogenanntes Differentialblutbild anzufertigen, das die Zahl und Verteilung der weißen Blutkörperchen, die Zahl und Form der roten Blutkörperchen sowie die Zahl der Blutplättchen bestimmt.

Volksstimme: Welche Vorbeugungsmöglichkeiten gibt es?

Professor Fischer: Für die bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems gibt es leider keine guten Vorbeugungsmaßnahmen. Wir wissen aber, dass bestimmte Schadstoffe die Entwicklung dieser Erkrankungen fördern. Dabei handelt es sich um übermäßigen Alkoholgenuss, radioaktive Strahlung, bestimmte Chemikalien wie Pflanzenschutzmittel (Pestizide) in der Landwirtschaft sowie Benzolverbindungen in Teer und Bitumen. Diese Faktoren gilt es möglichst zu meiden.

Volksstimme: Kann man die Entstehung einer akuten Leukämie verhindern?

Professor Fischer: Bei bestimmten Erkrankungen des blutbildenden Systems, wie dem sogenannten myelodysplastischen Syndrom (MDS), besteht eine stark erhöhte Neigung, in eine akute Leukämie umzuschlagen. Charakteristisch beim MDS ist eine Entzündungsreaktion des Knochenmarks in Kombination mit genetischen Veränderungen der Blutstammzellen. In bestimmten Fällen kann die Entwicklung einer akuten Leukämie durch eine Knochenmarktransplantation verhindert werden und das MDS geheilt werden.

Volksstimme: Nach neuesten Forschungen gibt es viel mehr unterschiedliche Blutkrebsformen als bislang gedacht. Welche Folgen hat das für die Therapie?

Professor Fischer: Die Folgen für die Therapie sind erheblich. Die drei Säulen der Krebstherapie sind aber weiterhin die Chirurgie, die Strahlentherapie und die medikamentöse Krebstherapie. Das Wissen aus der Grundlagenforschung zu den Krebserkrankungen hat uns gezeigt, dass sehr unterschiedliche Veränderungen in den Krebszellen vorliegen. Diese Veränderungen betreffen in letzter Konsequenz immer die Signale im Inneren der Zelle, die das Wachstum, die Ausreifung, das Überleben sowie die Ausbreitung der Krebszellen steuern. Die Hemmung dieser Signale konnte in den letzten Jahren bei vielen Krebserkrankungen hoch-effektiv genutzt werden.

Volksstimme: Das heißt, neue Krebsmedikamente wirken zielgerichteter und mit weniger Nebenwirkungen als althergebrachte Chemotherapheutika?

Professor Fischer: Es stehen ganz unterschiedliche Medikamente zur Verfügung, die weit über die landläufig bekannte Chemotherapie hinausgehen. Zu diesen Medikamenten gehören eine Vielzahl von neu entwickelten Antikörpern und Signalhemmern, Medikamente, die die Versorgung der Krebszellen mit Blutgefäßen hemmen sowie zelluläre Immuntherapien.

Entscheidend ist, welche individuellen Merkmale es gibt

Volksstimme: DieKrebstherapien werden immer vielfältiger, oder?

Professor Fischer: Das stimmt. In den vergangenen Jahren setzte sogar eine Entwicklung ein, bei der Krebserkrankungen der gleichen Art wie eine akute myeloische Leukämie unterschiedlich behandelt werden. Entscheidend ist, welche individuellen Merkmale der Krebszellen beim Patienten vorliegen. Dafür werden insbesondere genetische Merkmale (sogenannte Zytogenetik und molekulare Diagnostik) verwendet.

Volksstimme: Ein Schwerpunkt Ihrer Tagung ist die psychoonkologische Betreuung, die es am Uniklinikum seit nunmehr zwei Jahrzehnten gibt. Was ist darunter zu verstehen?

Professor Fischer: Dieser ganzheitliche Ansatz, der die Seele und den Körper im Sinn hat ist mittlerweile ein akzeptierter Standard in der Krebsmedizin. Die frühzeitige Einrichtung von psychoonkologischen Betreuungsangeboten hat sich als wegweisend und aus meiner Sicht als sehr segensreich für unsere Patienten und ihre Angehörigen erwiesen. Mittlerweile arbeiten eine Reihe von Kliniken, Instituten, das Tumorzentrum Magdeburg/Sachsen-Anhalt, psycho-soziale Einrichtungen wie die Magdeburger-Krebsliga, Selbsthilfegruppen und viele andere auf diesem Gebiet sehr gut zusammen. Die Deutsche Krebshilfe fördert mehrere Projekte zur Versorgungsforschung in der Psychoonkologie am Magdeburger Uniklinikum.