"Großer Schritt" China holt erstmals Mondgestein
Nach der Rückkehr des ersten Mondgesteins seit 44 Jahren erhoffen sich Chinas Forscher bahnbrechende Erkenntnisse über die Geschichte des Erdtrabanten. Können ausländische Wissenschaftler mitforschen?
Peking (dpa) - China hat die Rückkehr seines Raumschiffes "Chang'e 5" mit Gesteinsproben vom Mond als historischen Erfolg für sein Raumfahrtprogramm gefeiert.
Staatspräsident Xi Jinping dankte am Donnerstag den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern: "An Ihre bemerkenswerten Leistungen werden sich Land und Bürger immer erinnern." Die erfolgreich beendete Weltraummission sei die bisher komplexeste in der Geschichte des Landes gewesen und ein "großer Schritt" für Chinas Raumfahrtindustrie.
Als dritte Raumfahrtnation nach den USA und der Sowjetunion in den 60er und 70er Jahren hatte China Mondgestein zur Erde gebracht. Nach der unbemannten Mondmission landete die Kapsel am Donnerstag Ortszeit (Mittwoch MEZ) knapp zwei Stunden nach Mitternacht. An Bord des nach der chinesischen Mondgöttin benannten Raumschiffes waren rund zwei Kilogramm Gesteinsproben. Es war das erste Mal seit 1976, dass wieder Mondgestein auf die Erde gebracht wurde.
Trotz des eisigen, windigen Wetters mit Temperaturen von mehr als Minus 20 Grad und trotz der dunklen Nacht konnten die Suchtrupps mit Hubschraubern und Fahrzeugen die Kapsel im Landegebiet in der mongolischen Steppe in Nordchina schnell finden. Der Verantwortliche Zhang Kejian vom Kontrollzentrum verkündete wenig später den "vollen Erfolg" der Mission.
Die Kapsel soll erst in der Hauptstadt Peking geöffnet werden. Danach werden die Mondproben von Forschern gesichtet und in einem geschlossenen Umfeld näher untersucht, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Einige der Proben werde China auch Wissenschaftlern in anderen Ländern zur Verfügung stellen.
Forscher warten gespannt auf das Mondgestein, dass viel jünger ist als alle bisher gesammelten Proben. Die Untersuchungen könnten verborgene Geheimnisse der vulkanischen Aktivität und der Geschichte des Mondes offenlegen. So wurde auch zwei Meter tief in die Mondoberfläche gebohrt, um Proben zu entnehmen.
Der Lander von "Chang'e 5" hatte in einem nach dem deutschen Astronomen Karl Rümker (1788-1862) benannten Vulkangebiet im "Ozean der Stürme" aufgesetzt. Diese Region ist 1,2 Milliarden Jahre alt. Dagegen wird das Alter des Gesteins, das die USA und die Sowjetunion gesammelt hatten, auf 3,1 und 4,4 Milliarden Jahren geschätzt.
Mit der erfolgreichen Rückkehr von "Chang-e 5" hat China weiter zu den anderen Raumfahrtnationen aufgeschlossen. Einige Manöver waren bislang einmalig für sein Raumfahrtprogramm: Erstmals sammelte China Mondgestein, erstmals hob ein chinesisches Rückkehrmodul von einem anderen Himmelskörper ab - auch absolvierte China das weltweit erste robotergesteuerte Andock-Manöver in der Umlaufbahn des Mondes.
Der Flug legte auch Grundlagen für künftige bemannte Mondlandungen, die bis Ende des Jahrzehnts geplant sind. Die Volksrepublik verfolgt ein ehrgeiziges Raumfahrtprogramm, das auch den Aufbau einer eigenen Raumstation in den kommenden Jahren vorsieht.
Zwei Projekte laufen gerade noch parallel: So fährt heute weiter ein chinesischer Rover auf dem Mond, nachdem China im Januar 2019 als erste Raumfahrtnation mit "Chang'e 4" auf der relativ unerforschten erdabgewandten Seite des Erdtrabanten gelandet war. Auch ist die unbemannte Marssonde "Tianwen-1" (Fragen an den Himmel) gegenwärtig auf dem Weg zum "Roten Planeten".
Seit dieser Woche ist das Raumschiff mehr als 100 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Im Februar soll die Sonde am Mars ankommen, um in den dann folgenden Wochen die Landung zu versuchen, die allerdings als viel riskanter gilt als Mondlandungen. Von 18 Landeversuchen auf dem Mars waren bisher nur 10 erfolgreich - allein neun durch die USA.
Das nächste Projekt steht auch schon am Start: Die neue Trägerrakete vom Typ "Langer Marsch 8" wartet auf dem Raumfahrtbahnhof Wenchang auf der südchinesischen Insel Hainan auf ihren ersten Startversuch. Langfristig ist mit der 50 Meter hohen und modular gebauten Rakete geplant, einen Teil wiederverwenden zu können - etwa die Booster oder auch die erste Stufe, die nach einem Start sogar eines Tages vertikal wieder auf der Erde landen soll.
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