Schätzchen und Träumchen Das Jahr der Bären: Panda-Fieber in Berlin
Zwei Pandabären ziehen in den Berliner Zoo - und alle drehen durch. Zur Eröffnung schaut Kanzlerin Angela Merkel vorbei. Jiao Qing und vor allem die rückwärtslaufende Meng Meng machen viele Schlagzeilen und sorgen für einen Besucheransturm. Wann gibt es Nachwuchs?
Berlin (dpa) - In der Hauptstadt ist im Sommer das kollektive Panda-Fieber ausgebrochen. Zur Eröffnung der großzügigen Anlage für die aus China eingeflogenen Riesenpandas Meng Meng ("Träumchen") und Jiao Qing ("Schätzchen") Anfang Juli kam Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich.
Und auch Chinas Staatspräsident Xi Jingping ließ es sich nicht nehmen, die beiden knuddeligen Neuankömmlinge im Berliner Zoo sogleich als völkerverbindende Aushängeschilder in die Pflicht zu nehmen: "Ich bin überzeugt, dass diese beiden neue Botschafter unserer Freundschaft werden können", sagte er.
Von Panda-Diplomatie war die Rede. Fast schon folgerichtig ist Pandabär Jiao Qing auf dem Titel der Jahreschronik des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" gelandet - und ist dort in weltpolitischer Gesellschaft: Eingerahmt von US-Präsident Donald Trump, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un blickt "Schätzchen" vom Cover der Spezialausgabe der Hamburger Zeitschrift.
Die beiden Bären aus einer chinesischen Zuchtstation sind eine Leihgabe für 15 Jahre. Eine Million US-Dollar pro Jahr zahlt der Zoo für sie. Er ist damit jetzt der einzige Tierpark in Deutschland, der die seltenen Bären hält. Die Investition dürfte sich lohnen. Seit dem großen Hype um den Eisbär Knut 2007 war der Zoo im westlichen Zentrum Berlins nicht mehr so oft in den Schlagzeilen.
Hunderttausende wollten die beiden Pandas in ihrer knapp zehn Millionen Euro teuren Anlage sehen. Genaue Besucherzahlen könne man erst Anfang 2018 bekanntgeben, teilte der Zoo auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Doch Meng Meng und Jiao Qing haben wohl die Bilanz gerettet: "Wir hatten einen sehr durchwachsenen und nassen Sommer, doch dank der Pandas war es für uns in der Summe ein erfolgreiches Jahr." Wenn das Wetter mitgespielt hat, sei jeden Tag Sonntag gewesen, erklärte der Zoo weiter.
Die Berliner hatten schon einmal ein Panda-Pärchen ins Herz geschlossen, das aber trotz aller Bemühungen - inklusive einer künstlicher Befruchtung - ohne Bärenbaby blieb. Die Pandadame Yan Yan starb 2007 an einer Darmverstopfung, ihr Partner Bao Bao starb fünf Jahre später. Er galt mit seinen 34 Jahren damals weltweit als der älteste in einem Zoo lebende männliche Panda.
In der Öffentlichkeit wurde Meng Meng Monate nach dem Einzug zum Sorgenkind. Der Grund: Die Pandabärin legte in ihrem Gehege häufig den Rückwärtsgang ein, stieß mit dem Hinterteil an die Scheiben und erkundete ihr Gehege wochenlang nur rudimentär. Der Zoo rätselte über die Ursachen für das Verhalten. Eingewöhnungsschwierigkeiten oder die Auswirkungen der "Panda-Pubertät" wurden unter anderem gemutmaßt.
Auch Tierschützer rief das Rückwärtslaufen der Pandadame mit den schwarzen Puschelohren auf den Plan. Meng Meng bringe zum Ausdruck, dass sie erheblich leidet, hieß es etwa. Es wurde gemutmaßt, dass die Haltungsbedingungen nicht den artgemäßen Bedürfnissen gerecht würden. Andere sahen eine Stereotypie, eine wiederholte, ziellose Handlung. Beim Zoo hielt man die Kritik für voreilig und ungerechtfertigt.
Inzwischen glaubt der Zoo, das Verhalten seiner Pandadame entschlüsselt zu haben. "Meng Meng ist sehr menschenaffin und hat gelernt, dass sie durch ihren Rückwärtsgang bei den Menschen eine Reaktion auslösen kann, bei der sich für sie in der Regel etwas zum Positiven verändert." Dann gehe der Schieber auf, der Bambus werde gewechselt, der Pfleger schenke ihr Aufmerksamkeit.
Nach Rücksprache mit Experten habe man ein "Programm zur Verhaltensanreicherung" initiiert, das schon erste Früchte trage. Zum Beispiel wird der Panda-Dame nun Futter zu unterschiedlichen Zeiten gegeben. Meng Meng laufe inzwischen viel weniger rückwärts und habe ihre gesamte Außenanlage "in Beschlag genommen", hieß es. Sie sei viel häufiger an ihrem Wasserlauf und ihrer Höhle zu sehen.
Die beiden tapsigen Bären leben in getrennten Gehegen. Denn Pandas sind Einzelgänger und mögen sich die meiste Zeit nicht riechen. Nur an wenigen Tages im Jahr ist es anders: zur Paarungszeit. Wann es das erste Mal soweit sein wird, lässt sich nicht sagen. "Bevor die beiden sich richtig kennenlernen, muss Meng Meng erst einmal geschlechtsreif werden", heißt es. "Von unserer Seite aus könnte es im nächsten Jahr losgehen. Aber wann es soweit ist, entscheiden allein die Tiere."
Meng Meng übt schon für den Fall der Fälle. Sie mache sehr eifrig beim medizinischen Training mit, erklärt der Zoo. Das Training wird in vielen Tierparks durchgeführt. Die Pandabärin lerne beispielsweise, "ihre Tatzen zu zeigen oder sich aufzustellen und ihren Bauch an das Gitter zu strecken, damit der Tierarzt später im Fall einer möglichen Schwangerschaft regelmäßig einen Ultraschall machen kann." Bei richtiger Ausführung bekommt die Pandadame leckeres Honigwasser. Das Training beruht auf freiwilliger Basis, betont der Zoo. Wenn Meng Meng keine Lust habe, gehe sie einfach weg.
Für den Zoo wäre Nachwuchs natürlich das Größte, nicht nur wegen der Erhaltung der bedrohten Tierart. Den Rummel um knuddelige Mini-Pandas mag man sich allerdings kaum ausmalen.